Forschung, Technologie & Innovation

Jetzt Oberösterreich digitalisieren!

IV OÖ betont Bedeutung von 10 Projekten für #OÖ2030 in den Bereichen Digitalisierung/Fachkräfte/Schule/Infrastruktur/Energie – Oberösterreich muss Vorreiter bei der Effizienz öffentlicher Leistungen sein und eine Digitalisierungsoffensive starten – EcoAustria-Studie identifiziert in Oberösterreich über alle gebietskörperschaftlichen Ebenen Effizienzpotenziale von 777 Mio. Euro, davon 300 Mio. Euro mit Relevanz für den Landeshaushalt – Masterplan-integrierte digitale Verwaltung für Oberösterreich notwendig

Nach der OÖ. Landtagswahl 2021 hat die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) zehn Projektideen vorgeschlagen, die am Beginn der neuen Legislaturperiode gestartet werden sollen, um den Aufstieg Oberösterreichs zu den industriellen Spitzenregionen Europas voranzutreiben. Aus Sicht der IV OÖ haben die nachfolgenden Projekte eine starke Hebelwirkung, um eine weitere Steigerung der Standortqualität auszulösen:

  1. Digitalisierungsoffensive und Effizienzsteigerung aller Prozesse der öffentlichen Hand in Oberösterreich (z.B. Verwaltung, Förderwesen, Schule, Gesundheits- und Sozialsystem)
  2. Masterplan zur Bekämpfung des Fachkräftemangels durch Ausschöpfung aller Potenziale wie beispielsweise die Erhöhung der Frauenerwerbsquote durch Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes oder die Forcierung der qualifizierten Zuwanderung
  3. Verbesserungen im Arbeitsmarktmanagement zur weiteren Senkung der Arbeitslosenquote
  4. Innovation und kontinuierliche Verbesserung im oberösterreichischen Schulmanagement zur Qualitätssteigerung in der Schulausbildung
  5.  Grundkulturkompetenz-Offensive in der Volksschule
  6. Praxisnäherer Mathematikunterricht als Basis für mehr Interesse an MINT-Ausbildungen bei Jugendlichen
  7. Flächendeckende Integration von Digitalisierungskompetenzen in der AHS-Ausbildung in Oberösterreich nach dem Vorbild des BRG Fadingerstraße
  8. Entwicklung der neuen Technischen Universität zum international sichtbaren Leuchtturm für Digitalisierung und noch erfolgreichere Gewinnung von FH-Studienplätzen
  9. Maßnahmenkatalog zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren von Infrastrukturprojekten
  10. Förderung von Projekten zur Unterstützung der technologieoffenen Transformation des Energie- und Mobilitätssystems sowie der CO2-intensiven industriellen Produktionsprozesse in Oberösterreich

„Der standortpolitische Kurs in der neuen Legislaturperiode entscheidet darüber, wie wettbewerbsfähig unser Land am Ende dieses Jahrzehnts im internationalen Vergleich sein wird“, erklärt dazu Dr. Axel Greiner, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). Es brauche eine konsequente Standortpolitik, die Antworten gibt auf die Herausforderungen im Industrieland OÖ in diesem Jahrzehnt, um auch in Zukunft notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit finanzieren zu können. „Wir sind guter Dinge, dass im Zuge der aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ ein Regierungsprogramm beschlossen wird, das diese Themen in den Mittelpunkt stellt“, so der IV OÖ-Präsident: „Jetzt ist es Zeit, kräftige Veränderungsimpulse zu setzen, um unser gemeinsames Ziel – den Aufstieg zu den industriellen Spitzenregionen Europas – in die Tat umsetzen zu können. Aufgrund der demographischen Entwicklung steht und fällt die weiter positive Entwicklung des Landes mit der Verfügbarkeit von Arbeitskräften – bei der Digitalisierung in Industrie und Verwaltung, beim Infrastrukturausbau, bei der Transformation des Energiesystems und natürlich auch in der Pädagogik oder bei Pflege und Gesundheit.“

Enorme Potenziale bei der Digitalisierung des öffentlichen Sektors vorhanden

Ein zentrales Feld dabei ist die Effizienzsteigerung öffentlicher Dienstleistungen des Landes Oberösterreich durch Digitalisierung. Die IV OÖ hat zu diesem so wichtigen Thema vom Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria eine Studie erstellen lassen. „Oberösterreich muss eine Vorreiterrolle bei der Effizienz öffentlicher Leistungen des Landes einnehmen und eine Digitalisierungsoffensive starten“, betont Greiner. Dabei gehe es darum, die Leistungen für Bürger und Unternehmen durch den Einsatz neuer Technologien zu verbessern, zu beschleunigen und kostengünstiger bereitzustellen. Dies ist schon deswegen unbedingt erforderlich, weil die Anforderungen an Verwaltung, Kinderbetreuung, Bildung oder Pflege weiter steigen werden. Dazu braucht es einerseits den notwendigen budgetären Spielraum und andererseits die Automatisierung, um die Serviceleistung zu verbessern und den langfristigen Mangel an entsprechenden Fachkräften ausgleichen zu können. „Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie war vielfach zu sehen, welchen enormen Vorteil digitale Technologien auch für den öffentlichen Sektor bieten und welche Potenziale noch vorhanden sind. Die Menschen in unserem Land erkennen heute den Mehrwert, den digitale Technologien bieten“, so Greiner.

Die Effizienz der Leistungssysteme stellt einen für die Wettbewerbsfähigkeit maßgeblichen Rahmenfaktor dar, wie EcoAustria-Direktorin Priv.-Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna erklärt: „Bei der Qualität der Verwaltungssysteme liegt Oberösterreich im Vergleich unter europäischen Regionen im guten Mittelfeld.“ Mit der Leistungsbereitstellung seien jedoch auch hohe Kosten verbunden, bei oft nur mittelmäßigen Ergebnissen. Hier bestehe durchaus Potenzial für weitere Effizienzsteigerungen.

Mit der Erweiterung von technischen Möglichkeiten und Anwendungsfeldern seien viele Verwaltungssysteme bestrebt, über den klassischen E-Government-Ansatz der schrittweisen Digitalisierung von einzelnen digitalen Prozessen und Verfahren hinauszugehen, um einen umfassenden und integrierten Ansatz zu implementieren. „Dabei haben Portalanwendungen und datengetriebene Verfahren mit automatisierten Entscheidungsprozessen, künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologie, Internet of Things, verhaltensorientierte und prädiktive Analytik, robotisierte Prozessautomatisierung, Open Data und vielem mehr das Potenzial, einen disruptiven Wandel von Verwaltungsdienstleistungen zu bewirken“, so die EcoAustria-Direktorin. Das Land Oberösterreich müsse dabei nicht bei Null beginnen, denn gerade auf Ebene der Landesverwaltung seien zuletzt Fortschritte im Hinblick auf die Digitalisierung erzielt worden. Dennoch bestehe weiterhin Aufholpotenzial, sowohl im Hinblick auf die Infrastruktur als auch hinsichtlich der Erweiterung von digitalen Anwendungen in internen Abläufen und externen E-Government-Angeboten für die Bürger ebenso wie für Unternehmen, erläutert Köppl-Turyna: „Das Angebot an verfügbaren Diensten und Anwendungen ist historisch gewachsen und entspricht in Teilen einem systemisch nur wenig integrierten Fleckerlteppich.“ Die Digitalisierung öffentlicher Leistungen finde zwar statt, aber eben alles andere als durchgängig und integriert.

Der dem EcoAustria-Bericht zugrundeliegende Begriff von Effizienz stellt diese allerdings nicht als Selbstzweck dar. Vielmehr ziele Effizienz darauf ab, mit den eingesetzten Mitteln ein Maximum an Leistung und Wirkung zu erreichen. „Effizienz wird hier als Bedingung zur Gewährleistung von wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit verstanden“, ergänzt Köppl-Turyna: Öffentliche Ausgaben seien mit Opportunitätskosten verbunden. „Selbst bei effizienter Bereitstellung verringert jede Leistung den Spielraum für eine alternative Verwendung von Ressourcen. Ineffizienz ist dabei mit zusätzlichen Kosten verbunden, diesen stehen aber keine Leistungen gegenüber.

Effizienzpotenzial für Oberösterreich von 300 Mio. Euro

Zur Steigerung der Effizienz gilt es, die strukturellen und institutionellen Hemmnisse zu identifizieren, um entsprechende Reformansätze als „Effizienzhebel“ abzuleiten. Dies geht oftmals über die Handlungsfelder auf Bundesland-Ebene hinaus. „Hierzu zählen etwa die Vermischung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung, Mischfinanzierung und Kostenintransparenz, mangelhafte Effizienzanreize und Anreize zur Kooperation etwa über Gemeinden hinweg sowie allgemein fehlende Aufgabenorientierung im Finanzausgleich“, wie Köppl-Turyna erklärt. Vor dem Hintergrund der starken Ausweitung technologischer Anwendungsmöglichkeiten, die im Kontext von „Digital Government“ auch für öffentliche Verwaltungen realisierbar ist, seien für die oberösterreichische Landesverwaltung Potenziale einer „Digitalisierungsoffensive“ festzustellen. Dabei ergeben sich insbesondere folgende Anwendungsfelder:

Allgemeine öffentliche Verwaltung

  • Verwaltungsverfahren und Förderverwaltung (z.B. vollständig digitale Förderverfahren, Automatisierung mengenintensiver Standardprozesse)
  • interne Arbeits- und Verfahrensabläufe (z.B. automatisierte Assistenz- und Entscheidungsprozesse, Schnittstellenmanagement über unterschiedliche Behörden und Abteilungen)
  • Politik- und Bürger-Partizipation (z.B. digitale Bürgerbeteiligung, E-Voting)

Bildung und Schule

  • Schulverwaltung im Umfeld der Bildungsdirektion, Ressourcenmanagement und Digitalisierung auf Steuerungsebene (Digitale Bildungsdirektion)
  • inhaltlich-pädagogische Initiativen, Ausstattung von Schulen, Schülern und Lehrern mit Geräten, Infrastruktur und Lehrmaterialien

Kinderbetreuung

  • Erhöhung der allokativen Effizienz durch Nutzung digitaler Technologien im Rahmen der Angebotsplanung und Systemsteuerung (Kindergarten-Verwaltung)
  • Verwaltung der Finanzierungssysteme des Landes (Landesbeiträge und Förderungen)

Pflege

  • Netzwerksteuerung und Erhöhung der Systemeffizienz durch überregionale Angebotsplanung und Kapazitätssteuerung über die Versorgungsarten (mobile und stationäre Pflege, 24-Stunden-Pflege)

Auch wenn die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen in Oberösterreich hoch ist, so ist diese doch mit hohen Kosten verbunden. Die Effizienzvergleiche im Rahmen des Bundesländer-Benchmarkings von EcoAustria zeigen für Oberösterreich Effizienzpotenziale in den oben angeführten Bereichen und bezogen auf alle Verwaltungsebenen (Gemeinden, Land und Bund) in Höhe von 777 Mio. Euro.

Aufgrund der Misch- und Kofinanzierung der jeweiligen Leistungsbereiche sind im Bundesländer-Benchmarking nicht nur Ausgaben des Landes berücksichtigt, sondern auch öffentliche Ausgaben der verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen und staatlichen Sektoren. Die ermittelten Effizienzpotenziale betreffen daher nicht nur den Haushalt des Landes Oberösterreich als Verwaltungseinheit, sondern den öffentlichen Sektor insgesamt in der Region des Bundeslandes, wie Köppl-Turyna erklärt: „Demnach würde sich für das Land Oberösterreich über die betrachteten Leistungsbereiche ein Effizienzpotenzial von etwa 300 Mio. Euro ergeben.“

Mehr Kooperation und Leistungsvergleich zur Effizienzsteigerung

Aus den von EcoAustria ermittelten Effizienzpotenzialen geht klar hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungseinheiten ein ganz wesentliches Element ist, um einerseits Verbesserungen in der Erstellung öffentlicher Dienstleistungen zu erzielen und diese effizienter zu gestalten. „Als Beispiel dafür kann der Bereich der Kinderbetreuung angeführt werden. Nicht jede Gemeinde muss über eigene Kinderbetreuungseinrichtungen verfügen – durch gezielte Zusammenarbeit kann sich auch für kleinere Kommunen die Möglichkeit bieten, dem Wunsch nach ortsnaher Kinderbetreuung und längeren Öffnungszeiten Folge zu leisten. Es benötigt eine strategische Gesamtsteuerung und Kooperation auf überregionaler Ebene“, führt IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch exemplarisch an.

Generell gelte es, mithilfe der Digitalisierung die Erstellung öffentlicher Dienstleistungen so effizient wie möglich zu gestalten. Wesentlich sei dabei, dass der Leistungsvergleich auf allen institutionellen Ebenen – von den Gemeinden über die Landesebene bis hin zum Bund – die einzige Möglichkeit darstellt, öffentliche Leistungen zu benchmarken und daraus entsprechende Verbesserungen abzuleiten. „In der Wirtschaft übernehmen Marktmechanismen die Funktion des Produktivitätstreibers und Innovators, auf der Ebene öffentlicher Dienstleistungen ist der Leistungsvergleich – das Benchmarking – das entscheidende Instrument zum Erzielen kontinuierlicher Verbesserungen“, erläutert der IV OÖ-Geschäftsführer. „Kennzahlen-Vergleiche ersetzen das Fehlen von Marktbeziehungen.“

„Neben der direkten Kostenersparnis darf auch die indirekte Kostenersparnis bei den Bürgern und Unternehmen nicht vergessen werden“, so Haindl-Grutsch: „Wenn im Sinne der Effizienzsteigerung etwa Genehmigungsverfahren beschleunigt werden und es in den Abläufen zu einer Zeitersparnis kommt, ergibt dies auch für die Bürger und Betriebe eine massive Entlastung.“ Bei einem Blick auf die Effizienz öffentlicher Leistungserstellung würden fast immer nur die direkten Kosten in der Verwaltung ins Auge gefasst, aber nur selten die indirekten Kosten, die bei den Bürgern und Unternehmen anfallen. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort verweist darauf, dass Unternehmen durch Nutzung digitaler Verwaltungsangebote mehr als 50 Prozent der Kosten für Behördeninteraktionen senken können. „Daraus ergeben sich unmittelbar Produktivitätssteigerungen für die Unternehmen.“

Masterplan integrierte digitale Verwaltung

Die Studie von EcoAustria betrachtet Optionen und Aktionsfelder einer Digitalisierungsoffensive der Landesverwaltung. Mit Anwendungen der Digitalisierung ist die Aussicht verbunden, die Effizienz von Verfahren und Abläufen zu erhöhen und zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwands sowohl bei Bürgern und Unternehmen als auch in der Verwaltung selbst beizutragen. Benchmarking-Analysen zeigen, dass sich in der Verwaltung und Bereitstellung öffentlicher Leistungen in Oberösterreich Potenziale für Effizienzsteigerungen ergeben. Dabei kann Digitalisierung sowohl im Rahmen der Verwaltung und der Organisation von Leistungsbereichen, als auch im Rahmen der Leistungserbringung unmittelbar eine Unterstützung sein. „Eine umfassende Analyse von fast siebzig Praxisbeispielen zeigt auf, dass es noch erhebliches Potenzial zur Digitalisierung öffentlicher Leistungen in Oberösterreich gibt“, betont Dr. Joachim Haindl-Grutsch abschließend: „Es braucht nun einen umfassenden Masterplan, um alle Effizienzpotenziale im öffentlichen Sektor zu heben und eine integrierte digitale Verwaltung zu verwirklichen – aus Kostengründen aber auch, weil es die Menschen in Oberösterreich nicht gibt, die diese Dienstleistungen erbringen können.“

Downloads