Österreich muss einen neuenwirtschaftspolitischen Kurs einschlagen

In seiner Keynote im Rahmen des Industrie-Empfangs analysierte IV-Chefökonom Christian Helmensteindie globale wirtschaftspolitische Lage und forderte nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der WettbewerbsfähigkeitEuropas und Österreichs.

Die europäischen Volkswirtschaften stehen vor erheblichen Herausforderungen. Besonders die steigenden Arbeits- und Energiekosten sowie die zunehmende Regulierung belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Während die USA ein Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent verzeichnen und China mit 4,5 Prozent wächst, kämpft die Eurozone mit einem Wachstum von nur 0,7 Prozent. Besonders drastisch ist die Situation in Österreich. Helmenstein verwies auf das aktuelle IMD-Ranking, in dem Österreich nun um zwei weitere Plätze zurückgefallen ist, Österreich ist jetzt nur noch auf Platz 26. „Wir müssen einen neuen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen, um wieder in die Spitzengruppe vorzustoßen“, forderte Helmenstein eindringlich. In der Rangliste der wichtigsten Volkswirtschaften weltweit steht die USA an erster Stelle, gefolgt von China. Deutschland hat im Vorjahr Japan überholt und steht nun auf Platz drei – nicht aufgrund einer hervorragenden Performance, sondern wegen der Abwertung des japanischen Yen. Indien steht bereits auf Platz fünf und hat seit 2020 das Vereinigte Königreich und Frankreich überholt. Ein zentrales Thema ist die Notwendigkeit erhöhter öffentlicher Investitionen. 

Foto: IV OÖ / Pelzl

Die öffentliche Investitionsquote in Europa ist auf unter drei Prozent
des BIP gefallen, während sie in den USA bei 4,5 Prozent und in China sogar bei acht Prozent liegt. Diese Diskrepanz gefährdet die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Europas. Es braucht ein Umdenken hin zu einem investitionsorientierten Staatshaushalt, um die Infrastruktur zu verbessern und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Helmenstein rief zur verstärkten internationalen Zusammenarbeit auf. Angesichts der zunehmenden globalen Protektionismus-Tendenzen betonte er die Bedeutung offener Märkte und freier Handelsbeziehungen. Nur durch eine engere wirtschaftliche Verflechtung könne Europa seine Position im globalen Wettbewerb
behaupten. Es braucht eine stärkere Internationalisierung anstatt Abschottung. Europa muss erheblich in den Ausbau digitaler
Technologien investieren, um global wettbewerbsfähig zu bleiben. Während die USA und China in Bereichen wie Künstliche Intelligenz und Big Data führend sind, hinkt Europa hinterher. Gezielte Investitionen in Forschung und Entwicklung sind notwendig, ebenso die Förderung von Startups und Technologieunternehmen.

INDUSTRIE-EMPFANG: DIE TALKRUNDE

In einer von Nina Kraft moderierten Diskussionsrunde bestehend aus IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer, IV-Präsident Georg Knill, Business-Europe-Generaldirektor Markus Beyrer, Greiner-AG-CEO Saori Dubourg und Landeshauptmann Thomas Stelzer waren sich alle Beteiligten einig, dass standortpolitische Veränderungen auf allen Ebenen kommen müssen.

Beyrer betonte, dass es nach geschlagener EU-Wahl einer strukturellen Änderung in der kommenden Legislaturperiode bedarf. Dazu ist es notwendig, die positiven Stimmen nun rasch in einem Programm umzusetzen und es im Herbst, wenn die Kommission steht, rasch anzugehen. Europa werde die Klimaziele erreichen, jedoch aufgrund der Deindustrialisierung und nicht wegen der grünen Transformation. Für Unternehmen bedeutet der Green Deal eine Mehrbelastung von zwei Milliarden Euro pro Jahr seit 2022. Es braucht weniger Ideologie und mehr Technologieoffenheit. Der Green Deal war gut gemeint, funktioniert in der Umsetzung aber nicht.

Der Green Deal ist laut Dubourg eine gute Strategie, um sich in der Zukunft Wettbewerbsvorteile zu schaffen, jedoch braucht es dafür ein Umdenken in der Umsetzung. Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act (IRA) einen Business Case, welchen Europa in dieser Form nicht hat. Die nächste Phase der EU muss sehr pragmatisch sein. Es braucht einen neuen Realismus, man muss der Industrie zuhören,
was es wirklich braucht, um Wachstum zu erzeugen. Wohlstand besteht aus drei Themen: Arbeit, solide Finanzen und Innovation.
„Die Kommission muss sich nun neu finden, denn ein Weitermachen wie in der letzten Legislaturperiode steht nicht mehr zur Debatte“, betonte Knill. Europa braucht einen Wachstums-Deal. Der Binnenmarkt mit 450.000 Konsumenten hat noch großes Potenzial und dieses Potenzial muss ausgeschöpft werden. Wenn Europa nach innen nicht funktioniert, dann kann es auch global keine Rolle spielen. Es bedarf einer europäischen Wirtschaftspolitik, welche Ökonomie, Soziales und Nachhaltigkeit unter einen Hut bringt.

Stelzer zeigte auf, dass sich der Industriestandort Oberösterreich im Auge eines Hurrikans befindet. Die erste Aufgabe für Politik und Wirtschaft muss es sein, das Bewusstsein zu schärfen, dass es uns gut geht, aber damit es so bleibt, etwas getan werden muss. Die Menschen müssen merken, dass sich Leistung lohnt. Mehr Bildung, Forschung und Innovation sind die Schlüsselfaktoren, um den Wohlstand zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. In Oberösterreich wird es in der Bürokratie eine Schlankheitskur geben. Europa müsse damit aufhören, der Welt seine Ideologien aufzuzwingen.

„Leistung muss sich lohnen“, wiederholte Pierer. Derzeit fördert der Staat steuerlich Minderleistung und verleitet die Bevölkerung dazu, weniger zu arbeiten. Steueranreize für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind zwingend erforderlich. Eine Chance sei die Künstliche Intelligenz, die sich an der JKU enorm positiv entwickelt. Wenn Europa geopolitisch mitspielen und auf globalen Märkten agieren will, dann müssen Handelsabkommen vorangetrieben, anstatt über Zölle diskutiert werden.

Foto: IV OÖ / Pelzl