Industriestandort statt „Industrie stand dort“:Maßnahmen gegen den Abstieg setzen!

Standort Österreich verliert massiv an internationaler Wettbewerbsfähigkeit – Industrieland Oberösterreich amstärksten davon betroffen – Verlust an Wettbewerbsfähigkeit hat verstärkt Verlagerungen bei Großbetrieben zurFolge und beschleunigt die Automatisierung – KMUs kämpfen mit dem Rücken zur Wand – IV-OÖ nennt Hauptgründefür den Abstieg des Standorts und legt zehn standortpolitische Maßnahmen gegen Deindustrialisierung vor.

Die hohe Inflation und die überdurchschnittliche Steigerung der Kosten am Standort Österreich über einen längeren Zeitraum sind die Hauptursachen für den Abstieg Österreichs im Wettbewerb der Industriestandorte. Für Oberösterreich, das ich gerade in die Top-20-Industrieregionen Europas vorgearbeitet hat, sind die Verschlechterungen der Rahmenbedingungen
auf Bundesebene besonders schmerzlich. „Oberösterreich ist der industrielle Motor der Republik. Der funktioniert nur, wenn
auch die nationalen Rahmenbedingungen attraktiv sind“, betont IV-OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch.
Die nachfolgende Analyse zeigt die wesentlichen Ursachen auf, warum der Industriestandort Österreich im internationalen
Vergleich deutlich unattraktiver wurde:

1. Höchste Inflation in Westeuropa
Eine überdurchschnittlich hohe Inflation ist für das Exportland Österreich Gift, weil die Kosten für Unternehmen stärker teigen und sie damit aus dem globalen Markt gepreist werden. Österreich hat die höchste Inflation in Westeuropa.

Foto: IV OÖ

2. Stark steigende Lohnstückkosten
Die Lohnstückkosten messen die Arbeitskosten je produzierter Einheit. Steigen die Löhne schneller als die Produktivität,
dann nimmt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern ab. Hohe Lohnabschlüsse erhöhen wieder die Inflation, die wieder höhere Abschlüsse mit sich bringt – ein Teufelskreis, der die Lohnstückkosten immer weiter erhöht

3. Überdurchschnittlich hohe Steuern- und Abgabenquote
Österreich hat eine der höchsten Steuern- und Abgabenquoten in Europa und produziert damit in vielen Fällen wie Bildung, Gesundheit, Sicherheit oder Pensionen Mittelmaß oder kommt mit dem vielen Geld trotzdem nicht aus. Länder wie die Schweiz oder die Niederlande zeigen, dass es möglich ist, staatliche Leistungen wesentlich effizienter und besser zu erbringen; Dänemark und Schweden erbringen mit ähnlicher Quote wesentlich bessere Leistungen bei deutlich niedrigerer Verschuldung.

Foto: IV OÖ

4. Hohe Verschuldung im Vergleich zu den Top-Ländern in Europa
Der österreichische Staatshaushalt kennt seit Jahrzehnten (mit einem Ausnahmejahr) keine Budgetüberschüsse,
egal wie hoch das Wirtschaftswachstum ausfällt. Die finanziellen Belastungen durch fehlende Reformen wie eine Pensionsreform werden weiter enorm zunehmen und die Gestaltungskraft der Politik bei Zukunftsfragen des Standorts
stark einschränken.

5. Zu viel Bürokratie und zu wenig Digitalisierung im öffentlichen Sektor
Überbordende Bürokratie und Regulierungswahn auf nationaler und europäischer Ebene sind eine Wachstumsbremse
und schrecken nationale und internationale Investoren ab. Bei der Effizienz des öffentlichen Sektors liegt Österreich im
IMD-Ranking nur auf Platz 36 von 64 Ländern. Im europäischen Vergleich der E-Government-Performance liegt Österreich
auf Platz 14, deutlich hinter den Spitzenreitern im Norden Europas.

6. Bildungssystem – hohe Kosten, zu schwache Ergebnisse
Traditionell landet Österreich beim PISATest nur im Mittelfeld, obwohl die Kosten des Schulsystems überdurchschnittlich
hoch sind. Besonders niedrig ist hierzulande z. B. der Anteil der Schulen, in denen die Unterrichtsgestaltung der
Lehrer überprüft wird; Schulbücher und Unterrichtsmethoden sind oft nicht mehr zeitgemäß. Nur in Kooperation mit der
Wirtschaft (Lehre und berufsbildende höhere Schulen) ist das heimische Bildungssystem zukunftsfähig aufgestellt.

Foto: IV OÖ

7. Leistung lohnt sich nicht, der Sozialstaat ist teuer und bietet enorme Anreize zum Nicht-Arbeiten
Egal ob arbeitslos, geringfügig beschäftigt, in Teilzeitbeschäftigung oder in Regelpension: Länger, mehr und Vollzeit zu arbeiten bzw. Überstunden zu machen lohnt sich aufgrund des Steuer- und Abgabensystems in Österreich nicht. Es liefert Anreize zum Nicht- oder Wenig-Arbeiten, statt (Mehr-) Leistung entsprechend zu fördern.

8. Ungesteuerte Zuwanderung Niedrigqualifizierter
Kam vor 15 Jahren rund jeder zehnte Erwerbstätige aus dem Ausland, ist es heute fast jeder vierte. Der Anteil an Arbeitslosen
ist dabei überdurchschnittlich hoch. Gründe dafür sind die oft mangelnden Qualifikationen sowie fehlende Sprachkenntnisse.

9. Hohe Energiepreise im europäischen und globalen Vergleich
Höhere Preise waren schon lange die Norm: Zwischen 2006 und 2021 waren die Erdgaspreise in Europa um bis zu 100 Prozent höher als in den USA; seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ging der Spread aber noch weiter auf und es ist kein Ende in Sicht. Aber nicht nur im Vergleich zu Mitbewerbern in den USA – auch innerhalb Europas gehören Österreichs Strompreise trotz des hohen Anteils an erneuerbarer Energie am Strommix zu den höchsten. Wettbewerbsfähige Energiepreise sind die Voraussetzung, wie der massive Abfluss von Arbeitsplätzen in der Industrie in den nächsten Jahren verhindert werden kann.

10. Dogmatische Energie und Klimapolitik
Die Transformation in ein CO2-neutrales Energiesystem ist nur dann erfolgreich und bewältigbar, wenn Klimaschutz auch ein
volkswirtschaftlicher Erfolg für ein Land ist, der den Wohlstand am Standort erhöht und nicht senkt. Die jahrzehntelange Verbots-, Verzichts- und Verzögerungspolitik Österreichs bei Atomkraft, Wasserkraft, Stromleitungen, Carbon Capture and Storage (CCS) und zuletzt bei Verbrennungsmotoren und E- Fuels ist dogmatisch und führt zu höheren Energiepreisen, statt mit Technologieoffenheit auf alle Innovationen im Energiebereich zu setzen. CO2-Neutralität gelingt nur global über Investitionen in Technologie und Innovation sowie mit wirtschaftlichen Geschäftsmodellen und Skalierbarkeit, aber niemals mit regionalen Autarkie-Träumereien.

ZEHN-PUNKTE-REPARATURPAKET FÜR DEN STANDORT: „WENIGER STEUERN UND BÜROKRATIE, MEHR LEISTUNG UND INVESTITIONEN!“

Der Industriestandort Österreich verliert an Wettbewerbsfähigkeit, wie zuletzt auch der Rückfall im IMD-Ranking verdeutlichte. Die hohe Inflation beschleunigt diesen Prozess stark. Was es jetzt braucht, ist professionelle Standortpolitik. Der Industriestandort Österreich steht an einer Weggabelung – damit es nicht zum dauerhaften Abfluss von industrieller Wertschöpfung kommt, müssen Politik und Gesellschaft jetzt in die Hände spucken und mit Fleiß und Einsatz die strukturellen Probleme des Landes lösen.

1. Anreize zum (Mehr-)Arbeiten: „Leistung muss sich lohnen“-Paket
1.1. Steuerfreibetrag für Vollzeitarbeit bzw. für die Erhöhung des Stundenausmaßes bei Teilzeitbeschäftigung
1.2. Entfall der Beitragspflichten für Arbeitnehmer zur Sozialversicherung in der Regelpension bis zur Höchstbemessungsgrundlage
1.3. Staatlich garantierte Pensionsansprüche bei Verschiebung des genehmigten vorzeitigen Pensionsantritts
(Reformschutz)
1.4. Werkswohnungen für Mitarbeiter bis 75 m2 nicht sachbezugspflichtig, als Maßnahme gegen die stark steigenden Wohnkosten
1.5. Gesellschaftspolitischer Diskurs zur Notwendigkeit von (Mehr-)Leistung und Eigenverantwortung in Österreic

2. Entlastung I: Stufenplan zur Senkung der Steuern- und Abgabenquote von dzt. rund 43 Prozent auf unter 40 Prozent
2.1. Neue Steuern wie Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer sowie generelles Unternehmer-Bashing („Fat Cat Day“) sind ein Investorenvertreibungsprogramm und respektloser Unsinn

3. Entlastung II: Massive Senkung der Lohnnebenkosten um mehrere Prozentpunkte unter den EU-Durchschnitt
3.1. Streichung von Wohnbauförderung und FLAF aus den Lohnnebenkosten
3.2. Benchmarking mit europäischen Best-Practice-Beispielen bei Sozialversicherungsabgaben
3.3. Beibehaltung der steuerfreien Prämie für Mitarbeiter („Teuerungsprämie“)

4. Nachhaltige Finanzpolitik: Schuldenbremse mit dem Ziel von ausgeglichenen Budgets über den Konjunkturzyklus
4.1. Haushaltsdisziplin am Beispiel der Schweiz, Dänemarks oder der Niederlande

5. Schlanker Staat: Entbürokratisierungs und Digitalisierungspaket im öffentlichen Sektor
5.1. Praxistaugliche Umsetzung des Lieferkettengesetzes
5.2. Schnellere Genehmigungsverfahren und Reduktion der Berichtspflichten
5.3. E-Government-Offensive am Vorbild der nordeuropäischen Staaten, Ausbau der digitalen Behördenverfahren
5.4. Bürokratiebremse One-in-one-out-Regel: ein neues Gesetz einführen, ein altes Gesetz abschaffen

6. Fachkräfte der Gegenwart: Programme für den qualifizierten Zuzug von Fachkräften
6.1. Weitere Verbesserungen bei der RWR-Card
6.2. Etablierung von Ausbildungspartnerschaften mit Drittländern

7. Fachkräfte der Zukunft: Duale Ausbildung als absolutes Stärkefeld der heimischen Bildungspolitik ausbauen, MINT-Graduierungen um 20 Prozent steigern
7.1. Lehrlings-Ausbildungsprämie in der Höhe von 15 Prozent der Ausbildungskosten
7.2. HTL- und technische Hochschulausbildung vorantreiben
7.3. Mathematik-Unterricht modernisieren

8. Forschung und Innovation: Budgets für technologieoffene direkte und indirekte Forschungsförderung ausbauen
8.1. Forschungsprämie erhöhen
8.2. Budget für FFG-Basisprogramme ausbauen

9. Energieversorgung: Maßnahmen zur Sicherstellung wettbewerbsfähiger Energiepreise, beschleunigter Energieinfrastruktur-Umbau
9.1. Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030
9.2. Reduktion der Energieabgaben
9.3. Abbau der Nachteile der Strompreiszonentrennung zu Deutschland

10. Investitionen in die Twin Transition: Attraktivierung von zukunftsträchtigen, wertschöpfungsintensiven
Investitionen für die technologieoffene grüne und digitale Transformation
10.1. Unterstützung von Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie, Level Playing Field mit den USA
10.2. Forcierung von Technologien zur digitalen Transformation