In seiner Keynote vor mehr als 200 Teilnehmern betonte Johannes Hahn die Notwendigkeit einer aktiven Beteiligung und Einflussnahme in der Politik. Die anstehende EU-Wahl im Juni hat höchste Bedeutung für die Zukunft Europas. Insbesondere aufgrund globaler Ereignisse wie der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine hat sich die Lage massiv verändert: Europa wurde in den letzten Jahrzehnten mit billiger Energie aus Russland versorgt, von den USA beschützt und konnte nach Asien exportieren. Diese drei Komfortzonen gibt es nicht mehr und Europa muss sich auf die neue Realität einstellen. Hahn fordert für die Zukunft des Kontinents eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordination auf europäischer Ebene sowie eine stärkere Einbindung von Wirtschaft und Industrie in politische Entscheidungsprozesse. Er warnte davor, populistischen Losungen zu
folgen, die Abschottung und Protektionismus befürworten, und betonte stattdessen die Notwendigkeit einer offenen und
internationalen Ausrichtung Europas und des Forcierens von Handelsverträgen mit anderen globalen Playern.
Überbordende Bürokratie und Regulierungswut
„Frau von der Leyen hat den Bürokratieabbau angesprochen. Wir haben aber in den Jahren 2019 bis 2023 über 850 neue
Verpflichtungen auf 5000 Seiten bekommen. Die EU ist alternativlos, ein Friedensprojekt und wichtiger Binnenmarkt; vieles aber, was gut gemeint war, wurde schlecht umgesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Lieferkettengesetz. Deregulierung und Entbürokratisierung sind dringend notwendig“, betonte V-NÖ-Präsident Ochsner. „Die Diskussion über Arbeitszeitverkürzungen auf eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist völlig realitätsfern. Stattdessen sollte eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 41 Stunden bei gleicher Bezahlung diskutiert werden, denn nur so können wir unseren Wohlstand erhalten.“ „Ein gut ausgebildeter Ingenieur in Mattighofen arbeitet 1.650 Stunden. Der gleiche Ingenieur in China
arbeitet 2.570 Stunden und verdient um 20 Prozent weniger“, ergänzte IV-OÖ-Präsident Pierer. EU-Kommissar Hahn erläuterte die Funktionsweise der europäischen Institutionen und unterstrich, dass das EU-Parlament eine weitreichendere Rolle spiele als nationale Parlamente. Bei jedem Gesetzesantrag müssen Mehrheiten unter den Abgeordneten gesucht werden – das unterstreicht die Bedeutung einer aktiven politischen Beteiligung, insbesondere im Vorfeld der Europawahlen. „Die EU sind wir
alle und jeder kann seinen Beitrag leisten. Wir müssen uns im Klaren sein, dass es Wohlstand nicht zum Nulltarif gibt. Dafür muss man sich engagieren, aktiv sein und etwas leisten. Diese Grundhaltung muss man in der Gesellschaft wieder stärker verankern“, so Hahn.
Europa braucht einen Industrial Deal
„Es ist keine 70 Jahre her, als uns von den USA der Marshallplan geschenkt wurde. Dieser war nichts anderes als der heutige
Inflation Reduction Act. Dadurch ging es mit Europa steil bergauf “, so Pierer. „Die Gesellschaft war leistungsbereit und motiviert, wir hatten günstige Energie und konnten weltweit exportieren.“ Europa, einst weltweit führender Industriestandort, sieht sich heute mit einem deutlichen Rückgang beim Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung konfrontiert. „Europa hatte einen Welt-BIPAnteil von 25 Prozent, jetzt sind wir bald nur noch bei der Hälfte“, führte Pierer aus. „Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Investitionen gehen an Amerika und Asien verloren. Europa braucht dringend eine Neuorientierung und einen Industrial Deal.“
„Die schleichende Deindustrialisierung hat bereits begonnen – das heißt, in die Standorte hier wird nicht mehr investiert.
Selbst der Mittelstand beginnt sich außerhalb von Österreich umzusehen. Das sind Alarmsignale. Wir alle sind bekennende Österreicher; wir alle sind Idealisten, als Unternehmer und Manager. Wir wollen hierbleiben, wir wollen hier die Wertschöpfung sicherstellen – solange es uns möglich ist“, warnte Ochsner abschließend.