Wirtschafts-, Finanzpolitik & Recht

Aschermittwoch: Mehr Fakten, weniger Gesinnung bei politischen Entscheidungen!

Was ist eigentlich gute Wirtschaftspolitik? Wie weit muss diese der Gesinnungs- oder der Verantwortungsethik folgen? Diese Fragen und das damit verbundene Spannungsfeld beleuchtete der gebürtige Oberösterreicher und nunmehrige Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, beim 17. Aschermittwochsgespräch von Sparkasse OÖ und IV OÖ, das heuer in der Lösehalle der Linzer Tabakfabrik über die Bühne ging. IV OÖ-GF Joachim Haindl-Grutsch hielt dabei fest: Für politische Entscheidungen brauche es mehr Fakten und Verantwortung, aber weniger Gesinnung

Vor genau 100 Jahren warnte der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber in seinem berühmten Vortrag „Politik als Beruf“ davor, in der politischen Auseinandersetzung der Ideologie bzw. der reinen Gesinnungsethik den Vorrang gegenüber der Verantwortungsethik zu geben. Gerade heute, in einer Zeit komplexer Entwicklungen, ist es noch viel schwieriger aber umso notwendiger, Zahlen und Fakten zu analysieren und jene Maßnahmen in den Vordergrund zu rücken, die die größtmögliche Wirkung entfalten. Das moralisch Richtige zu tun, ist demnach das eine. Die Folgen des Handelns abzuschätzen und in die Entscheidung mit einzubeziehen, ist das andere und sollte in unserer komplexen Zeit viel stärker im Mittelpunkt stehen. Was Weber vor 100 Jahren proklamierte, besitzt also heute mehr Gültigkeit denn je und betrifft breit gestreute Themenbereiche wie z.B. den Klimawandel, die Armutsentwicklung und Vermögensverteilung oder die Veränderungen der Arbeitswelt durch Flexibilisierung und Digitalisierung. Glaubt man den medial groß aufbereiteten Berichten diverser NGOs und manchen Politikern, werden die Lebensumstände weltweit schlechter und die Zahl der in Armut lebenden Menschen immer größer. Viele dieser „Informationen“ sind aber stark gesinnungsgetrieben, ignorieren die Faktenlage und werden viel zu oft unreflektiert übernommen. Oft ist das genaue Gegenteil der Fall: Nicht die Einkommensschere öffnet sich weiter, sondern die „Belastungsschere“. Beim Gini-Koeffizienten weist Österreich einen der niedrigsten und sogar noch weiter sinkenden „Ungleichheitsgrade“ bei einer der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in der EU aus. Und weltweit ist die Zahl der in Armut lebenden Menschen zuletzt stark gesunken, obwohl sich die Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren mehr als verdoppelt hat. Ähnlich einseitig sind Darstellungen, in denen z.B. vom Ende der Arbeit aufgrund der Digitalisierung die Rede ist, das „Arbeitsleid“ durch die Flexibilisierung immer unerträglicher werde oder in denen immer drastischer vor anthropogenen Klimaänderungen gewarnt wird. Diese Beispiele zeigen, wie stark die politische Kommunikation von gesinnungsethischen Motiven getrieben ist, während das Wissen über komplexe Zusammenhänge damit nicht mithalten kann.

Ähnlich sah es der Wirtschaftswissenschafter Gabriel Felbermayr, der in seinem Vortrag das Spannungsfeld zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik entschlüsselte. Wer der ersten ethischen Denkrichtung folgt, vertraut allein auf seine Prinzipien, Normen und Werte; die endgültigen Konsequenzen seines Handelns sind nicht relevant. Ein Verantwortungsethiker stellt die Ergebnisse seines Tuns in den Mittelpunkt und fragt nach deren Verantwortbarkeit. Politiker würden oft von gesinnungsethischen Motiven getrieben; das sei leicht zu kommunizieren, weil sie auf gängige Parabeln und Moralvorstellungen zurückgreifen kann. Die Gesinnungsethik erfordert kein Fachwissen über komplexe Wirkungszusammenhänge, unerwünschte Nebenwirkungen sind der „Preis“ des moralisch richtigen Handelns. Die Verantwortungsethik stellt Politiker vor ein Kommunikations- und mithin vor ein Motivationsproblem. Sie erfordert ständiges Abwägen verschiedener Wirkungen gegeneinander und führt meist zu anderen Schlussfolgerungen als die Gesinnungsethik. „Rerum cognoscere causas“ – die Ursachen der Dinge zu kennen muss dabei die Maxime von Politikern oder auch Journalisten sein. „In den Maschinenraum hinabzusteigen“ und die Wirkungszusammenhänge zu verstehen, ist bei der wichtigen Frage politischer Entscheidungen von höchster Bedeutung.