Die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich ist für den Industriestandort Oberösterreich von entscheidender Bedeutung. Sie entscheidet darüber, ob das Land zukunftsfähig ist, in Oberösterreich Arbeitsplätze geschaffen, Wertschöpfung ausgebaut und Investitionen getätigt werden.
Im März 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission seit 2010 die nunmehr fünfte Ausgabe des Regional Competitiveness Index (RCI). Der RCI bewertet die Wettbewerbsfähigkeit in der EU auf Ebene der NUTS-2 Regionen. In der aktuellen Ausgabe des RCI 2022 werden insgesamt 234 Regionen anhand von 68 Indikatoren in Form eines Rankings erfasst und bewertet. „Der RCI ist ein bewährtes Instrument zur Messung verschiedener Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen der EU“, betont der Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, Stefan Pierer. „Auch wenn es zahlreiche Veränderungen in der Gestaltung des RCI gab, ist der Trend für Oberösterreich in den letzten Jahren sehr positiv zu bewerten. Im Gesamtranking aller 234 Regionen ist unser Standort nun erstmals unter den besten 50.“ Die Vergleichbarkeit der sehr heterogenen Regionen in punkto Wirtschaftsstruktur und Bevölkerungsdichte im RCI ist jedoch nur bedingt gegeben. Ein Vergleich von Metropolregionen mit einer Dominanz des Dienstleistungssektors, mit industriellen Flächenregionen wie Oberösterreich oder agrarisch geprägten ländlichen Regionen mit niedrigem Entwicklungsstand ist zu wenig aussagekräftig. „Aus diesem Grund veröffentlicht die Industriellenvereinigung Oberösterreich bereits 2013 ein Ranking von mit Oberösterreich vergleichbaren Industrieregionen“, so Pierer.
Als Industrieregion gelten jene im RCI berücksichtigten Regionen, die eine Industriequote von mindestens 19,5 Prozent der regionalen Bruttowertschöpfung aufweisen, ein Bruttoregionalprodukt von mindestens 75 Prozent des EU-Durchschnitts sowie eine Bevölkerungsdichte von maximal 500 Einwohnern pro km².
Industrieregionen-Ranking - Aufnahmekriterien:
„Allein durch Anwendung dieser drei Kriterien entsteht ein europäisches Industrieregionen-Ranking, welches eine echte Vergleichbarkeit mit dem Industriestandort Oberösterreich ermöglicht“, erklärt Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ. Unter Anwendung dieser Kriterien verbleiben von den ursprünglich 234 im RCI 2022 bewerteten Regionen am Ende 76 Regionen, die das Ranking der europäischen Industrieregionen bilden. Gegenüber der letzten Edition des Industrierankings aus 2019, welches 86 Regionen umfasste, sind es damit 10 Regionen weniger. Dies liegt am Wegfall der Regionen aus dem Vereinigten Königreich aufgrund des Brexits. Angemerkt werden soll, dass beim Kriterium der Bevölkerungsdichte kein exakter, harter Schnitt bei 500 Einwohnern je km² gemacht wurde, sondern auch Regionen, die minimal über diesem Grenzwert lagen, für das Ranking der Industrieregionen berücksichtigt wurden. Dies betrifft konkret die beiden erstplatzierten Regionen Noord-Brabant (515 Einwohner/km²) und Limburg (518 / km²).
„Oberösterreich kann seinen Aufstieg im Industrieranking fortsetzen. In der ersten Ausgabe 2013 lag Oberösterreich auf Platz 49, stagnierte in der zweiten Ausgabe 2016 mit Rang 51 und stieg in der letzten Ausgabe 2019 auf Rang 34 auf. Im aktuellen Ranking liegt Oberösterreich erstmals unter den zwanzig besten Regionen und ist einer der Spitzenaufsteiger im gesamten RCI. Gemeinsam mit den Regionen Schwaben (DE) und Syddanmark (DK) belegt man den geteilten 19. Rang“, so Haindl-Grutsch. „6 der 15 von Oberösterreich gutgemachten Plätze sind auf den Brexit zurückzuführen.“ Ein Blick auf die restlichen Regionen unter den Top 20 des aktuellen Industrieregionen-Rankings zeigt eine deutliche regionale Clusterung. Ein Großteil der Top-Regionen befindet sich im süddeutschen Raum, weitere „Top-Cluster“ sind in Skandinavien und den Benelux-Staaten zu finden.
Die Top-20 Industrieregionen in der EU:
Neben tatsächlichen Verbesserungen der Standortbedingungen haben auch einige andere Faktoren zu Veränderungen im aktuellen Industrieregionen-Ranking beigetragen: Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU sind auch zehn mit Oberösterreich vergleichbare Industrieregionen aus dem Ranking gefallen, sechs davon waren im Ranking von 2019 noch vor Oberösterreich. Zudem führten Änderungen der Methodik des RCI zu erheblichen Unterschieden in den Ergebnissen der Ausgaben von 2019 und 2022.
Im aktuellen Ranking werden nur mehr 68 anstatt der 74 Indikatoren des RCI 2019 für die Bewertung herangezogen. Es sind allerdings nicht nur Indikatoren weggefallen, sondern gleichzeitig auch neue hinzugekommen. Insgesamt finden sich im RCI 2022 gegenüber dem RCI 2019 gleich 12 neue Indikatoren. Vier davon wurden bereits im RCI 2016 verwendet, sodass davon acht als völlig neu betrachtet werden können. Sowohl im Ranking von 2019 als auch in der neuesten Ausgabe von 2022 werden die verschiedenen Indikatoren zwölf Säulen zugeordnet, die wiederum drei Sub-Indizes angehören: dem Basic-, Efficiency- oder dem Innovation-Subindex. Hätte man auch 2022 die zuvor verwendeten Indikatoren untersucht, wäre das Ergebnis für Oberösterreich insgesamt um lediglich 1,1 Punkte niedriger ausgefallen. „Im Gesamtranking führt die neue Methodik nur zu minimalen Punkteveränderungen, auf Sub-Index-Ebene sind die Unterschiede aber deutlich zu erkennen“, erklärt Haindl-Grutsch.
Wie bei jedem Standortvergleich ist es auch beim RCI notwendig, sich im Detail mit den einzelnen Indikatoren und den dahinterliegenden Zahlen zu beschäftigen. Die Indikatorenauswahl und -bewertung hat Stärken und Schwächen, die Datenaktualität ist unterschiedlich, manche Indikatoren werden nur auf nationaler Ebene ausgewertet. „In Summe gibt die Auswertung des RCI aber immer wertvolle Aufschlüsse über die bestehenden Stärken und auch Aufholpotenziale von Oberösterreich gegenüber den industriellen Spitzenregionen in Europa. Diese sind unabhängig von Indikatorenauswahl und -änderungen in den letzten zehn Jahren stabil in Führung“, so Haindl-Grutsch.
Die Detailbetrachtung zeigt, dass Oberösterreichs größte Stärken im RCI 2022 klar im Bereich Innovation und Technologie liegen, im entsprechenden Subindex ist man unter den Top 10 Industrieregionen Europas. Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, da Oberösterreich in der letzten Ausgabe des Industrierankings 2019 bei diesem Subindex noch auf Rang 46 gelegen hatte. Dieser Sprung um 36 Plätze ist vor allem auf die Spitzenplatzierungen in den beiden Säulen „Business Sophistication“ mit dem 2. Platz und „Innovation“ mit Rang 13 zurückzuführen. Auch in der Säule „Technological Readiness“ konnte sich Oberösterreich merklich verbessern (von Rang 60 auf 36).
Im Basic-Index fiel Oberösterreich von Platz 31 auf 45. Dabei konnte sich Oberösterreich im überwiegenden Teil der fünf Säulen des Basic Index gegenüber dem letzten Ranking der Industrieregionen sogar steigern: Vor allem aber schlug sich der deutliche Rückgang in der Säule Basic Education, wo Oberösterreich von Rang 15 auf Rang 56 fiel, negativ auf das Ergebnis im Basic Index aus. In der Säule Basic Education wurden alle drei vorherigen Indikatoren vollständig durch neue ersetzt: Statt den drei zuletzt verwendeten Indikatoren ‚Vom Arbeitgeber bezahlte Weiterbildungen‘, ‚Informationszugang zu Weiterbildungsangeboten‘ sowie ‚Sprachkenntnisse‘ beschäftigen sich alle drei Indikatoren der Säule im RCI 2022 mit dem Thema Grundkompetenzen (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft) von Schülern und basieren auf der PISA-Erhebung. Die Folge ist ein Absturz von Oberösterreich in der Säule Basic Education im RCI 2022. „Österreichs sehr durchschnittliche Ergebnisse in der PISA-Studie wirken sich massiv negativ auf das Ranking im RCI aus“, stellt Joachim Haindl-Grutsch fest.
Hauptgrund für das schwache Abschneiden im Bereich der makroökonomischen Stabilität ist der v.a. im Vergleich mit Deutschland und den Niederlanden hohe Schuldenstand Österreichs. Im Bereich der Infrastruktur muss beachtet werden, dass hier zum Teil auf veraltete Daten zurückgegriffen wurde und beispielsweise beim Indikator Anzahl an Flügen nur jene Flüge berücksichtigt werden, die innerhalb von 90 Minuten per Straße erreicht werden. Daher werden für Oberösterreich weder München noch Wien berücksichtigt.
„Resümierend lässt sich feststellen, dass unter Berücksichtigung aller Stärken und Schwächen der RCI insgesamt ein klares Bild darüber gibt, wer zu den besten Industrieregionen in Europa zählt. Die besten Regionen sind bei allen Standortrahmenbedingungen der Maßstab und zeigen auf, wo das Verbesserungspotenzial für Oberösterreich liegt“, so Haindl-Grutsch.
„Bis 2030 will Oberösterreich zu den zehn wettbewerbsfähigsten Industrieregionen in Europa gehören. Um das zu erreichen, müssen die Stärken ausgebaut und Schwächen konsequent beseitigt werden“, betont Pierer. „Die größten Stärken des Industriestandortes Oberösterreich liegen in der Innovationskraft der Wirtschaft, einer hohen Forschungsquote der Leitbetriebe, die mit einer Vielzahl an innovativen KMUs kooperieren. Dazu kommt die weltweit einzigartige Qualität der dualen Ausbildung, einer hohen Qualifizierungsbeteiligung von Erwachsenen und eine hohe Arbeitsproduktivität. Die Schwächen sind nach wie vor im Schulwesen, bei der Überregulierung, der Fachkräfteverfügbarkeit und den nationalen öffentlichen Finanzen zu finden.“
Aus den Ergebnissen des RCI ergeben sich folgende weitere Verbesserungspotenziale:
„Der Trend von Oberösterreich im RCI ist erfreulich. Gerade in so turbulenten Zeiten weden jene Regionen gewinnen, die nicht im Krisenmodus verharren, sondern die Zukunftsfähigkeit des Standortes aktiv vorantreiben. Dazu braucht es eine konsequente Standortpolitik im Industrieland Oberösterreich“, erklärt IV OÖ-Präsident Stefan Pierer abschließend.
Fotos der Pressekonferenz: