„Die Abschwächung der österreichischen Industriekonjunktur setzt sich beschleunigt fort. Eine Bodenbildung oder gar eine Trendwende ist derzeit nicht in Sicht“, erklärten Mag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), und IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Ergebnisse des aktuellen IV-Konjunkturbarometers aus dem 3. Quartal 2019 am gestrigen Mittwoch. „Der Industrie steht eine längere Stagnationsphase bevor. Es bedarf nicht mehr viel, um eine Rezession auszulösen. Ein negativer Schock, etwa in Form von Zöllen gegen europäische Automobilexporte in die USA oder ein No-Deal-Brexit zum Monatsende, würde absolute Produktionsrückgänge erwarten lassen“, führte Neumayer weiter aus, der betonte: „Gerade in Zeiten mit deutlich niedrigerem Wachstum müssen die Unternehmen handlungsfähig bleiben. Nur dann können sie Investitionen tätigen und Arbeitsplätze sichern und schaffen. Jede kommende Bundesregierung muss daher den eingeschlagenen Weg der Entlastung für Menschen und Unternehmen fortsetzen.“
Das auch im langjährigen Vergleich außerordentlich hohe Maß an wirtschaftspolitischer Unsicherheit sei im Wesentlichen auf internationale Faktoren zurückzuführen. Die österreichische Industrie sehe sich diesbezüglich mit einer „Horrorkulisse“ aus eskalierenden Handelskriegen, ökonomischer Desintegration, fortbestehenden Sanktionsregimes und militärischen Drohgebärden konfrontiert. „Dass die Rezession noch nicht in Österreich angekommen ist, hängt mit der erfolgreichen ‚kleinen Internationalisierung‘ der heimischen Industrie wie auch des Finanzsektors in Richtung Zentral- und Osteuropa zusammen. Über die engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem betreffenden Raum importiert Österreich laufend konjunkturelle Impulse. Stabilisierend wirkt auch die Binnennachfrage infolge des noch zunehmenden Beschäftigtenstandes, der zurückgehenden Sparquote, der steuerlichen Entlastung der privaten Haushalte und anhaltend kräftiger Wohnbauinvestitionen“, so Helmenstein.
Die Ergebnisse im Detail
Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, stürzt von den bereits reduzierten Niveaus der vier Vortermine in Höhe von zuletzt 22,5 Punkten auf nunmehr 8,0 Punkte ab. Beide Komponenten, also sowohl der Saldo der aktuellen Geschäftslage als auch der Saldo der Geschäftserwartungen der Unternehmen auf Sicht der nächsten sechs Monate tragen im nahezu gleichen Ausmaß zu der Einbuße bei. Ersterer Indikator verliert um 14 Zähler auf nunmehr 36 nach zuvor 50 Punkten, letzterer Indikator fällt um 16 Zähler auf -20 nach zuvor -4 Punkten. Der Saldo der Geschäftserwartungen dringt somit noch weiter in negatives Terrain vor, sodass auf Sicht der nächsten Monate mit einem sich verschärfenden Verlust an konjunkturellem Momentum zu rechnen ist. Dabei hat der Anteil der Unternehmen mit optimistischen Geschäftserwartungen über die letzten vier Termine hinweg sogar nahezu konstant bei 10 Prozent verharrt. Ursächlich für den Absturz ist somit primär, dass sich der Anteil der Unternehmen mit einem pessimistischen Geschäftsausblick binnen eines halben Jahres von 10 Prozent auf nunmehr 30 Prozent verdreifacht hat.
Der schon zum letzten Erhebungstermin zu beobachtende, markante Rückgang der Gesamtauftragsbestände, die von +43 Punkten auf +28 Punkte sinken, setzt sich fort. Darin spiegelt sich bei einem noch lebhaften Produktionsausstoß die Schwäche der Auftragseingänge wider, was eine erhebliche Verkürzung der Auftragsreichweite zur Folge hat. Die anhaltende Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar, die in einem Bewertungsniveau weit unterhalb eines fundamental gerechtfertigten Niveaus zum Ausdruck kommt, und die weiterhin hohe realwirtschaftliche Dynamik in Zentral- und Osteuropa vermögen den Rückgang in der Komponente der Auslandsaufträge zwar zu bremsen, aber keineswegs aufzuhalten. Vielmehr fällt deren Saldo infolge der Schwäche der globalen Konjunktur und vor allem des internationalen Handelsgeschehens von +42 Punkten auf +24 Punkte. Diese Entwicklung ist beunruhigend, werden damit doch die saisonüblichen und zyklusdurchschnittlichen Niveaus erstmals in dieser Abschwungphase nach unten durchstoßen.
Vor dem Erfahrungshintergrund des Jahres 2008, als sich die seinerzeitigen Auftragsbestände nur noch teilweise in entsprechenden Umsätzen materialisierten, sind die Unternehmen bestrebt, ihre bestehenden Aufträge zügig erlösgenerierend abzuarbeiten. Dementsprechend behalten die Unternehmen ihre Produktionsplanungen im Aggregat bei und beabsichtigen, ihre Produktionstätigkeit bei einem saisonbereinigten Wert von +2 Punkten trotz wachsender Produktionskapazitäten nahezu unverändert fortzuführen. Dies impliziert während der kommenden Monate eine weiter sinkende Kapazitätsauslastung in der Industrie, was neben den schwachen Konjunkturaussichten die Investitionsneigung im kommenden Jahr erheblich beeinträchtigen wird.
Im Einklang mit den sich markant eintrübenden Geschäftserwartungen bricht der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes gegenüber dem Vortermin um sieben Punkte auf nunmehr -10 Punkte ein. Zwar ist eine gewisse Einstellungsneigung bei einem kräftig dezimierten Teil der Respondenten nach wie vor vorhanden – 12 Prozent der Unternehmen planen einen weiteren Beschäftigungsaufbau –, zugleich nimmt der Anteil der Unternehmen, die sich mit der Notwendigkeit eines Beschäftigungsabbaus konfrontiert sehen, jedoch von 13 Prozent auf 22 Prozent, also von jedem achten auf jedes fünfte Unternehmen zu. Während der ausgeprägte Fachkräftemangel somit einerseits eine nach wie vor beträchtliche Anzahl unbesetzter Stellen in den Industrieunternehmen bedingt, ist diese Entwicklung der Vorbote eines sich ankündigenden Nettoverlustes an Jobs mit dem Ergebnis, dass für das kommende Jahr mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist. Dieser wird umso schwächer ausfallen, je besser die intersektorale, interregionale und interprofessionelle Mobilität der Beschäftigten gefördert werden kann.
Der Anteil der Unternehmen, welche höhere Verkaufspreise durchzusetzen vermögen, reduziert sich weiter auf nur noch 4 Prozent, während sich 21 Prozent der Unternehmen auf Sicht der nächsten drei Monate wieder fallenden Verkaufspreisen gegenübersehen. Jedes fünfte Unternehmen hat in den kommenden Monaten somit keine Möglichkeit, zunehmende Kostenbelastungen zu überwälzen, sondern ist gezwungen, solche gewinnmindernd selbst zu tragen.
Dementsprechend verschlechtern sich die zuvor schon abwärts gerichteten Ertragserwartungen zum inzwischen siebten Mal in Folge von -9 Punkten auf nunmehr -14 Punkte. Nachdem die aktuelle Ertragslage im Gegensatz dazu über lange Zeit hinweg über dem Niveau von +30 Punkten (auf zuletzt +35 Punkten) gehalten werden konnte, kommt es zu dem gegenwärtigen Termin bei einem Verlust von 20 Punkten zu einem regelrechten Fadenriss, der den Indikator auf ein Niveau von lediglich noch 15 Punkten drückt. Dementsprechend ist ab dem Fiskaljahr 2020 mit erheblich negativen Rückwirkungen auf das Aufkommen aus Unternehmenssteuern zu rechnen.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 392 Unternehmen mit rund 273.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.