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Energiekrise - viel Verständnis in der Bevölkerung

IV OÖ-Umfrage zur Energiekrise – Versorgungssicherheit an erster Stelle – Realistischer Blick auf Konsequenzen eines Gas-Embargos und die Zeitdauer der Abkehr von fossilen Energieträgern – Auswirkungen eines Industrie-Stillstandes auf Versorgungsengpässe und Arbeitsplatzverlust werden klar erkannt – Energieversorgung der Zukunft benötigt Ausnutzung aller Technologieoptionen, globale Kooperationen, viel Zeit und den raschen Ausbau der Infrastruktur

Die mit dem massiven Anstieg der Gas- und Strompreise begonnene Energiekrise gewann mit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges weiter an Brisanz und zeigt bereits viele negative Folgeeffekte für Österreich, für die Betriebe und für die Bürger. Die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) hat daher im Mai durch Spectra Marktforschung in einer repräsentativen Umfrage (n=800, repräsentativ für die oberösterreichische Bevölkerung ab 16 Jahren) die Oberösterreicher über die Bedeutung der Energieversorgungssicherheit, zur Abhängigkeit von russischem Erdgas, zu Unterstützungsleistungen des Staates und über Maßnahmen zur Umstellung auf ein CO2-freies Energiesystem befragt.

Das größte Vertrauen wird von der Bevölkerung eindeutig der Wasserkraft entgegengebracht: Auf die Frage, welche die wichtigsten drei Energiequellen für die Bürger und die Wirtschaft in Österreich sind und welche für die Zukunft die größte Sicherheit sowie die größte Verfügbarkeit garantieren, wurde die Wasserkraft topgereiht, gefolgt von Sonnenergie, Windkraft und Biomasse. In den fossilen Energieträgern Erdgas, Erdöl und Kohle wurde wenig überraschend keine Zukunft mehr gesehen, was deren Sicherheit und Verfügbarkeit betrifft.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Welche dieser Energie-Quellen würden Sie als die wichtigsten drei für die Bürger und die Wirtschaft in Österreich ansehen? Welche garantieren für die Zukunft die größte Sicherheit und die größte Verfügbarkeit?

Bei der Frage nach der Priorisierung der drei wichtigsten Aspekte der Energieversorgung – Sicherheit, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit – wurde die Versorgungssicherheit an erster Stelle gereiht, gefolgt vom Aspekt der Umweltschonung. Die Notwendigkeit einer preislich günstigen Energieversorgung für die Bevölkerung hat dabei die niedrigste Priorität und rangiert mit deutlichem Abstand auf dem dritten Platz.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Worauf sollte man in der Zukunft bei der Energieversorgung besonders Wert legen: Dass die Energie-Versorgung entweder sicher ist, dass sie für die Menschen und die Industrie preislich günstig ist oder dass sie umweltschonend ist?

Sehr überraschend ist die Detailanalyse der Antworten der Altersgruppen. Für die älteren Bevölkerungsgruppen spielt das Thema Umweltschutz eine wesentlich größere Rolle als für die Jungen, die den Umweltschutz nur auf Platz drei Reihen. Für die 16- bis 29-Jährigen steht klar der Energiepreis an erster Stelle. Den Menschen ist zweifellos bewusst, dass Österreich sehr abhängig von Gaslieferungen aus Russland ist. Vor diesem Hintergrund herrscht klar das Meinungsbild vor, dass diese Abhängigkeit kurzfristig nicht veränderbar ist: 77 Prozent der Oberösterreicher halten einen kurzfristigen Umstieg durch Gaslieferungen aus anderen Ländern oder den Umstieg auf andere Energiequellen nicht für möglich. Nur 16 Prozent gehen davon aus, dass kurzfristig andere Alternativen gefunden werden können.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Glauben Sie, dass Abhängigkeit von russischem Gas kurzfristig veränderbar ist, z.B. durch Gaslieferungen aus anderen Ländern oder durch den Umstieg auf andere Energiequellen, oder ist sie kurzfristig nicht veränderbar?

Ebenso eindeutig ist die Einschätzung der Konsequenzen eines Gas-Embargos der EU oder eines Lieferstopps durch Russland: In Summe gehen 93 Prozent der Bevölkerung davon aus, dass ein Gas-Stopp katastrophale Folgen hätte oder zumindest sehr problematisch wäre (55 % „katastrophal“, 38 % „problematisch aber nicht katastrophal“). Nur eine verschwindende Minderheit von 3 Prozent glaubt daran, dass ein Ausbleiben von russischem Erdgas für Österreich gut verkraftbar wäre.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Welche Auswirkungen hätte es auf Österreich, wenn es zu einem Gas-Stopp käme?

Auf die Frage, ob der Staat die energieintensive Industrie aufgrund der explodierten Energiekosten unterstützen sollte, zeigt sich ein hohes Bewusstsein in der Bevölkerung für die wirtschaftlichen Zusammenhänge: Mehr als die Hälfte der Oberösterreicher (51 %) ist uneingeschränkt dafür, dass der Staat den energieintensiven Betrieben mit Hilfe unter die Arme greift, ein weiteres Drittel (35 %) urteilt mit einer „teils-teils“-Zustimmung. Nur eine Minderheit von 9 Prozent lehnt eine Unterstützung ab. „Der Zusammenhang, dass eine stillstehende energieintensive Industrie in weiterer Folge Versorgungsengpässe und Arbeitsplatzverlust bedeuten würde, ist offensichtlich einem großen Teil der Bevölkerung völlig bewusst“, erklärt dazu IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Soll der Staat angesichts der stark gestiegenen Energiekosten den energieintensiven Betrieben helfen, damit sie ihre Mitarbeiter halten können und es nicht zur Abwanderung von Betrieben und zu einer beträchtlichen Arbeitslosigkeit in Österreich kommt oder soll der Staat nicht helfen?

Im Übrigen zeigt sich auch eine sehr realistische Einschätzung der Bevölkerung über die Zeitdauer, die die Transformation unseres Energiesystems erfordert: So wird das Ziel Österreichs, bis zum Jahr 2030 100 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, nur von einem Fünftel der Oberösterreicher (21 %) als erreichbar eingeschätzt. Fast drei Viertel (73 %) glauben „eher nicht“ oder „bestimmt nicht“ daran, dass dieses Ziel in den nächsten acht Jahren erreicht werden kann – auch diese Einschätzung zeugt von viel Hausverstand.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Österreich hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Stromerzeugung von derzeit 80 % auf 100 % erneuerbare Energie umzustellen. Kann dieses Ziel bis zum Jahr 2030 erreicht werden?

Bemerkenswert differenziert ist das Antworten-Spektrum auf die Frage, die die Transformation des Energiesystems zum Inhalt hat: In den letzten Jahren gab es ja die radikale Forderung vieler Klimaschutz-Aktivisten, unmittelbar auf fossile Energieträger zu verzichten. In den Umfrageergebnissen zeigt sich, dass nur 1 Prozent der Oberösterreicher glaubt, dass dieser Ausstieg in zwei bis drei Jahren möglich sei. Weitere 18 Prozent glauben daran, dass dies in fünf bis zehn Jahren möglich sei. 29 Prozent können sich die Abkehr von fossilen Energieträgern in 20 Jahren vorstellen, 12 Prozent in 30 Jahren, 5 Prozent in 50 Jahren und mehr als ein Viertel (28 %) glaubt, dass wir nie ohne fossile Energieträger auskommen werden.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Wie rasch können wir ohne fossile Energien in der Zukunft auskommen?

Welche Investitionen erachtet die Bevölkerung nun als vordringlich, um den Ausstieg aus fossilen Energiequellen bzw. den Umstieg auf eine CO2-freie Energieversorgung möglichst rasch zu erreichen? Oberste Priorität bei den Bürgern hat nicht überraschend der Ausbau der Photovoltaik, weil bei dieser Technologie der unmittelbare persönliche Bezug gegeben ist. Besonders positiv aus Sicht der IV OÖ ist die hohe Einschätzung der Bedeutung neuer Energie- und Produktionstechnologien; auch der Ausbau der Energiespeicher und die internationale Zusammenarbeit zur Produktion von grünem Wasserstoff hat für die Bürger hohe Priorität. Bemerkenswert ist allerdings, dass dem österreichweiten Ausbau von Ladestationen für Elektroautos mit großem Abstand die geringste Bedeutung zugemessen wird, um eine CO2-Energieversorgung unseres Landes zu erreichen.

Foto: IV OÖ/Spectra

Frage: Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um eine CO2-freie Energieversorgung zu erreichen und wie rasch sollten diese Maßnahmen in Angriff genommen werden?

Angesichts der deutlichen Umfrageergebnisse steht für IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch fest: „Die oberösterreichische Bevölkerung zeichnet ein sehr klares Meinungsbild, das von Hausverstand und Realitätssinn geprägt ist, obwohl in den letzten Jahren die Energie- und Klimadiskussion von realitätsfernen Botschaften gekennzeichnet war.“ Der Krieg in der Ukraine hat die Bedeutung der Energieversorgung in den Mittelpunkt gerückt. „Die Transformation des Energiesystems ist aus technisch-naturwissenschaftlicher wie aus ökonomischer Sicht ein hochkomplexer Veränderungsprozess, der nur in einem globalen Kraftakt und in enger Zusammenarbeit aller wesentlichen Wirtschaftsmächte in einem langfristigen Prozess mit noch nie dagewesenen Investitionen gestemmt werden kann.“

Es gebe daher keinen Grund, der Bevölkerung energiepolitisch nicht reinen Wein einzuschenken. „Die Zeiten von naiv vereinfachten Botschaften nach dem Motto ‚Die Sonne schickt keine Rechnung‘ sind endgültig vorbei“, betont Haindl-Grutsch. Nun stehe die Aufgabe im Vordergrund, den Menschen in unserem Land die Herkulesaufgabe „Energieversorgung der Zukunft“ näherzubringen: „Die Abkehr von fossilen Energieträgern und die Umstellung auf eine CO2-neutrale Energieversorgung benötigt die Ausnutzung aller Technologie-Optionen, globale Kooperationen, viel Zeit und den möglichst raschen Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur!“