In einer Situation, in der kein Sektor unserer Volkswirtschaft, von der Industrie über Dienstleistungen, Pflege bis zum öffentlichen Dienst, seinen enormen Bedarf an Arbeitskräften decken kann, ist die Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für IV OÖ Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch eine irrwitzige. Bei rund 2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigten in Österreich gingen so auf einen Schlag hunderte Mio. Arbeitsstunden pro Jahr verloren. Vor diesem Hintergrund ist die im letzten Jahr von IV Präsident Georg Knill und IV OÖ Präsident Stefan Pierer in Gang gesetzte Leistungsdiskussion dringend nötig, eine dazu von der Regierung eingerichtete Arbeitsgruppe solle zum Ende des Monats erste Ergebnisse präsentieren.
Gastredner Franz Schellhorn, betont zu Beginn seiner Keynote, dass der Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden pro Kopf in Österreich kein neues Phänomen sei, sondern langfristiger Trend, den man seit mehr als 30 Jahren beobachten könne. Um eine spürbare Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich umsetzen zu können, wären Produktivitätszuwächse von rund zehn Prozent nötig, in Österreich liege man aktuell aber bei lediglich einem Prozent.
Vielmehr gelte es den steigenden Arbeitskräftemangel zu thematisieren als Arbeitszeitverkürzungen zu fordern. Dazu präsentiert Schellhorn fünf zentrale Erkenntnisse seiner Forschungsarbeit. In Bezug auf die historische Entwicklung hält er fest, dass in Österreich seit 20 Jahren netto keine einzige Vollzeitstelle mehr geschaffen wurde. Der gesamte Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre gehe auf Teilzeitarbeit zurück. Die zweite Erkenntnis ist, dass fehlende Kinderbetreuung alleine nicht der Grund für die hohe Teilzeitquote in Österreich (Frauen 50 %, Männer 30 %) ist. Nur an dieser Stellschraube zu drehen, würde deshalb nicht zu den gewünschten Effekten führen. Auch in Wien sei beispielsweise trotz voll ausgebauter Kinderbetreuung die Vollzeitquote deutlich gesunken. Während in Österreich in rund 30 Prozent aller Fälle beide Elternteile eines Kindes Vollzeit arbeiten, wären es beispielsweise in Dänemark 70 Prozent. Schellhorn führt diesen Umstand v.a. darauf zurück, dass Österreichs Bildungssystem darauf ausgerichtet ist, dass Kinder und Jugendliche zumindest bis zum 15. Lebensjahr von einem Elternteil betreut werden. Die Diskussion zur Kinderbetreuung werde zumeist jedoch nur über den Kindergarten geführt.
Zusätzlich zu Eltern mit Betreuungspflichten gebe es drei weitere Gruppen, die vermehrt Teilzeit arbeiten: Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, Menschen, die sich Teilzeit leisten können, und Menschen, die rechnen können. Nur in Spanien und Belgien bliebe weniger Nettolohn übrig, wenn Teilzeitarbeitende ihre Stunden aufstocken. Auch die Möglichkeit zur geringfügigen Beschäftigung sieht Schellhorn als enormen Anreiz zu weniger Arbeitszeit. Bei einem vorigen Einkommen von 3.000 Euro brutto müsste man zumindest 29 Wochenstunden arbeiten, um mehr ausbezahlt zu bekommen als ein Empfänger von Arbeitslosengeld, der geringfügig beschäftigt ist. Zur Gruppe der Personen, die sich Teilzeit leisten können, zitierte er den Pensionsexperten Bernd Marin, der ein Recht auf Faulheit einräume, aber nicht, dass der Staat dies dann mit Sozialleistungen kompensieren müsse.
Schon heute gefährde der anhaltende Teilzeitboom unseren Wohlstand. Rund 220.000 offene Stellen könnten aktuell nicht besetzt werden und auch wenn man Personal findet, dauert es im Durchschnitt 70 Tage, um sie zu besetzen. Der historische Durchschnitt liegt zwischen 30 und 40 Tagen. Immer mehr Unternehmen lehnen deshalb Aufträge ab oder erwägen, Kapazitäten ins Ausland zu verlagern. IV OÖ Vizepräsident Thomas Bründl betont, dass die Verlagerung von Produktionskapazitäten ab einem gewissen Punkt notwendig werden könnten. Wenn Wachstum in Österreich nicht mehr möglich sei, müsse man diese Schritte setzen.
Sowohl Bründl als auch Schellhorn sehen in der Digitalisierung einen wichtigen Hebel zur Milderung des Arbeitskräftemangels, Bründl gibt aber zu bedenken, dass Automatisierung allein nicht ausreicht. Qualifiziertes Personal würde man immer benötigen.
Laura Wiesner, Geschäftsführerin Wiesner-Hager Möbel, betonte zudem, dass gerade produzierende Unternehmen in der Arbeitszeitdiskussion eine Verantwortung gegenüber ihren Fertigungsmitarbeitern hätten. Diese können ihre Arbeit nicht im Home-Office verrichten, man dürfe sie bei der Entwicklung von Arbeitszeiten jedoch nicht zu sehr benachteiligen. Einig sind sich alle Teilnehmer darüber, dass es zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels sowohl einen kulturellen Wandel in Österreich geben muss als auch Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen. Wer mehr leistet, muss netto auch mehr davon haben, brachte es Thomas Bründl auf den Punkt. Schellhorn erwähnte mit etwas Zynismus, dass es in Österreich zum Thema Arbeitszeit fünf Linksparteien gäbe. Arbeit gelte in Österreich als „Haftstrafe, wo 40 Jahre genug seien.“