Die Welt wächst auch 2025 robust. In 23 der letzten 25 Jahren ist die Weltwirtschaft im Schnitt um über drei Prozent p.a. gewachsen – nur 2009 und 2020 waren Ausnahmen. Der globale Wirtschaftstanker ist trotz vieler internationaler Turbulenzen enorm stabil unterwegs. Die Lage der heimischen Industrie ist jedoch nicht mit der Lage der Weltwirtschaft gleichzusetzen: Während die USA seit dem vierten Quartal 2019 (also der Vor-Corona-Zeit) bis zum dritten Quartal 2024 um 11,4 Prozent gewachsen ist, schaffte die Euro-Zone 4,6 Prozent, Österreich nur 2,3 Prozent und Deutschland gar nur 0,1 Prozent. „Die Probleme sind hausgemacht. Österreich und Deutschland nehmen nicht mehr am Wachstum der Weltwirtschaft teil. Wir stehen am Pannenstreifen, während die globale Wirtschaft mit hohem Tempo weiterfährt“, betont der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), Dr. Joachim Haindl-Grutsch. „Der amerikanische Bürger ist auch dank Aktienmarkt so reich wie noch nie, während Deutsche und Österreicher kontinuierlich an Wohlstand einbüßen.“
Keine Kettensäge aber Schweizer Messer notwendig
Österreich hat 2023 und 2024 insgesamt sieben Prozent an industrieller Wertschöpfung verloren, die Deindustrialisierung ist in vollem Gang und die Entwicklungen der letzten Monate haben den negativen Trend eher verstärkt. Die Industrie in Zentraleuropa ist ein dichtes Wertschöpfungsnetzwerk aus OEMs, Zulieferern und Dienstleistern. Selbst wenn es einzelnen OEMs gut geht, reißen Lieferketten, weil viele Zulieferer aufgrund zu geringer Auslastung und zu hohem Preisdruck wegbrechen. Diese Entwicklung ist beispielsweise in der Automobilindustrie in vollem Gange und beschleunigt die Deindustrialisierung in Zentraleuropa. Verlagerungen nach Süd- und Osteuropa finden statt, Investitionen gehen nach Amerika und Asien. Der Abfluss der Industrie aus Deutschland und Österreich muss 2025 gestoppt werden. Dazu sind umfassende Maßnahmen notwendig, die das Vertrauen der Betriebe in den Standort wiederherstellen. Es ist nicht die internationale Konjunktur, es sind die strukturellen Probleme dieser beiden Länder, die zur aktuellen Situation geführt haben. Die IV OÖ betont es seit Jahren: stark gestiegene Personal- und Energiekosten und ständig neue bürokratische Auflagen haben das Fass zum Überlaufen gebracht.
Man kann erneut nur neidisch in die Schweiz schauen, mit welcher Weitsicht dort finanz- und wirtschaftspolitisch agiert wird. „Österreich braucht keine Kettensäge aber ein Schweizer Messer, um jene Bereiche herauszuschneiden, die den Staat ineffizient und teuer gemacht haben“, fordert Haindl-Grutsch.
Die Konjunktur-Ergebnisse im Detail
Die Stimmungslage in der OÖ. Industrie bleibt enorm angespannt, wie aus den Ergebnissen der Konjunkturumfrage der IV OÖ über das vierte Quartal 2024 (109 teilnehmende Firmen mit insgesamt rund 123.000 Beschäftigten) hervorgeht. Das Konjunkturbarometer, welches sich als Mittelwert aus aktueller Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten errechnet, bleibt mit -18,5 Punkten (nach -21,5 Punkten im Vorquartal) weiterhin tief im negativen Bereich, die Rezession setzt sich fort.
Die aktuelle Geschäftslage verharrt mit -31 Punkte (zuvor -35 Punkte) in der Talsohle. Auch die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten bleibt mit -6 Punkten (nach -8 Punkten) nahezu unverändert. Es gibt noch keine Vorzeichenumkehr, die eine Verbesserung einleiten würde. Die Werte zum aktuellen Auftragsbestand ‚verbessern‘ sich von -37 auf nunmehr -25 Punkte, jene zu den Auslandsaufträgen fallen jedoch von -5 Punkten auf -29 Punkte. Die Einschätzungen der Produktionstätigkeit in drei Monaten (-23 Punkte nach -41 Punkten), der Auslastung der Produktionskapazitäten in drei Monaten (-23 Punkte nach
-43 Punkten) und auch der Verkaufspreise in drei Monaten (-12 nach -28 Punkten) verbleiben ebenso alle im deutlich negativen Bereich. „In Summe bedeutet das, dass sich die Situation in den Betrieben weiter verschlechtert, wenngleich mit abnehmendem Tempo“, erklärt Haindl-Grutsch.
Besonders angespannt bleibt auch die aktuelle Ertragssituation (-41 nach -46 Punkten). Auch die Ertragssituation in sechs Monate (-4 Punkten nach -15 Punkten) zeigt noch keine Trendumkehr an. „Die OÖ. Industrie ist in weiten Bereichen preislich nicht mehr wettbewerbsfähig, die Lohnstückkosten sind zu hoch. Fehlende Gewinne von heute sind aber fehlende Investitionen in den Standort von morgen und damit fehlende Zukunftsfähigkeit“, betont Haindl-Grutsch.
Die Einschätzung für den Beschäftigtenstand in drei Monaten bleibt mit -44 Punkten (nach
-54 Punkten) weiterhin tiefrot, der Personalabbau in der OÖ. Industrie setzt sich fort. „Mit 46 Prozent planen weiterhin knapp die Hälfte der teilnehmenden Betriebe den weiteren Abbau von Personal, nur 2 Prozent wollen Mitarbeiter aufbauen“.
Der Kostenrucksack für die Betriebe muss leichter werden
„Die Krise des Industriestandortes Österreich perpetuiert sich“, so Haindl-Grutsch. „Seit zwei Jahren weisen wir auf den Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich hin. Die Folgen sind jetzt für alle spürbar geworden. Der Wohlstand der Menschen sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft wächst nicht mehr mit der Folge, dass der Staatshaushalt aus dem Ruder gelaufen ist.“
Dass Österreich finanz- und wirtschaftspolitisch ein Reparaturpaket dringend benötigt und dass bei einer Rekordsteuerquote von 43,5 Prozent, einer Staatsquote von 55 Prozent und den zweithöchsten Sozialausgaben in Europa kein Platz mehr für noch mehr Staat und noch mehr Steuern ist, dafür sollte eigentlich der Hausverstand reichen. „Anstatt ständig neue Steuern ins Spiel bringen, sollten die führenden Ökonomen des Landes endlich umfassende Vorschläge für Einsparungen und Restrukturierungen abliefern“, so Haindl-Grutsch. „Eine ausgabenseitige Sanierung des Staatshaushaltes ist nicht nur möglich, sie ist unbedingt erforderlich, um den Standort Österreich wieder vom Pannenstreifen auf die Überholspur zu bringen. Vom ‚Kaputtsparen‘ kann keine Rede sein.“ Österreich muss wieder deutlich schneller und innovativer werden, die Incentivierung der Teilzeitgesellschaft muss gestoppt werden. Mehr Eigenverantwortung ist notwendig, weil der Wohlstand auf Arbeit und Leistung beruht und nur dadurch der Sozialstaat garantiert bleibt.
„Es wäre fahrlässig, einer Wirtschaft, die bereits den schwersten Rucksack an Steuern, Abgaben und Bürokratie in Europa tragen muss, noch weitere Belastungen umzuhängen. Die heimischen Betriebe haben mit den Lohnerhöhungen der letzten Jahre einen massiven Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet, jetzt muss es Entlastungen geben, um den Standort für die Industrie zu retten“, so Haindl-Grutsch abschließend. „Wenn Ideologie und Populismus bei Seite gelegt werden, wäre das gar nicht so schwierig, weil unser Land enormes Potenzial hat und auf Augenhöhe mit den besten kleinen Volkswirtschaften in Europa sein sollte.“