Die Talsohle ist noch nicht errreicht

Rezession und überdurchschnittliche Energie- und Lohnkostenentwicklung in Österreich drücken weiter auf die Stimmung in der OÖ. Industrie – Industrieller Abschwung setzt sich fort – Negative Auswirkungen auch am Arbeitsmarkt zu erwarten – Steuersenkungen, Leistungsanreize und weniger Bürokratie sind die Gegenmittel, die unseren Standort wieder fit machen – Zeitfenster für Weichenstellungen, um Offshoring zu verhindern, ist kurz

Im Kontext zunehmender geopolitischer Spannungen, einer insgesamt schwächelnden Weltwirtschaft und einer Rezession in Deutschland nimmt der Preisdruck im globalen Wettbewerb für Oberösterreichs Industriebetriebe zu, gleichzeitig steigen die Kosten am Industriestandort Österreich seit Jahren schneller als in anderen Ländern. Mit der höchsten Inflationsrate in Westeuropa, trotz heimischer Wasserkraft überdurchschnittlich hohen Energiepreisen und stark steigenden Lohnstückkosten verliert Österreich massiv an Wettbewerbsfähigkeit. „Aufträge und Investitionen gehen verstärkt ins Ausland, der industrielle Kapitalabfluss hat sich zuletzt verdoppelt. Gleichzeitig setzen viele Länder in Europa, Amerika und Asien verstärkt auf eigene industrielle Wertschöpfung, weswegen das Erfolgsmodell Export von Österreich aus in die ganze Welt massiv unter Druck gerät“, betont der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), Dr. Joachim Haindl-Grutsch

Die Folge ist eine Fortsetzung des wirtschaftlichen Abschwungs, der sich in den Ergebnissen der Konjunkturumfrage der IV OÖ über das dritte Quartal 2023 (103 teilnehmende Firmen mit insgesamt rund 109.000 Mitarbeitern) verdeutlicht. Der Pessimismus über die Einschätzung der Lage in den kommenden Monaten nimmt weiter zu. Das Konjunkturbarometer, welches sich als Mittelwert aus aktueller und der Geschäftslage in sechs Monaten errechnet, liegt aktuell bei -25 Punkten (nach -4,5 Punkten im Vorquartal) und damit deutlich im negativen Terrain. 

Foto: IV OÖ

Beschleunigter Abwärtstrend mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt

In der Detailbetrachtung ergibt sich folgendes Bild aus der Konjunkturumfrage: Während die aktuelle Geschäftslage bei +12 Punkten von zuvor +13 Punkten im zweiten Quartal auf niedrigem Niveau stagniert, fallen die Werte zum aktuellen Auftragsbestand sowie den Auslandsaufträgen deutlich von +22 auf +6 Punkte bzw. von +20 auf +3 Punkte. „Die hohen Auftragsbestände aus den Nachholeffekten im Anschluss an die Covid-Pandemie und die Lieferkettenprobleme sind jetzt endgültig abgearbeitet“, erklärt Haindl-Grutsch.

Beschleunigt setzt sich der Abwärtstrend jedoch bei den in die Zukunft gerichteten Indikatoren das neunte Quartal in Folge fort. Die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten fällt besonders stark von -23 auf -62 Punkte. Zunehmend negativ werden auch die Produktionstätigkeit in drei Monaten (von -37 auf -43 Punkte) und die Auslastung der Produktionskapazitäten in drei Monaten (von -41 auf -51 Punkte) gesehen. Das wirkt sich auch direkt auf die Einschätzung für den Beschäftigtenstand in drei Monaten aus, welche markant von -8 auf -47 Punkte fällt. Haben im zweiten Quartal noch lediglich 18 Prozent der Unternehmen einen Rückgang der Beschäftigten gemeldet, sind es im dritten Quartal knapp die Hälfte aller befragten Betriebe, die einen Personalabbau befürchten. „Der Abschwung kommt jetzt auch am Arbeitsmarkt an, die Arbeitslosigkeit wird steigen“, so Haindl-Grutsch.

Foto: IV OÖ

Die Erwartungen der Verkaufspreise in drei Monaten verschlechtert sich von -4 auf -28 Punkte, entsprechend fällt auch die Ertragssituation in sechs Monaten um 22 Punkte weiter deutlich ab und liegt jetzt bei einem Saldo von -43. „Die Erwartung von fallenden Preisen bedeutet, dass steigende Kosten nicht mehr an Kunden weitergegeben werden können. Global aufgestellte Betriebe werden so gezwungen ihre ausländischen Fertigungsstandorte zu forcieren, Klein- und Mittelbetriebe haben diese Möglichkeiten in der Regel nicht und werden besonders hart getroffen“, betont Haindl-Grutsch.


Standort Österreich an der Weggabelung: Offshoring verhindern

Der Industriestandort Österreich hat an Wettbewerbsfähigkeit verloren, wie zuletzt auch der Rückfall im IMD-Ranking verdeutlichte. „Was es jetzt braucht, ist professionelle Standortpolitik: Runter mit den Kosten für Unternehmen, weniger Regulierung bei Investitionsvorhaben und mehr Anreize für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mehr und länger zu arbeiten“, fordert Haindl-Grutsch. Die Maßnahmen, damit sich Leistung wieder lohnt, liegen auf dem Tisch und könnten rasch umgesetzt werden. Auch bei den Energiekosten hat der Staat zahlreiche Möglichkeiten, den enormen Kostennachteil für Betriebe in Österreich abzumildern. 

„Österreich ist in der Rezession, der Standort steht an einer Weggabelung. Damit es nicht zum dauerhaften Abfluss von industrieller Wertschöpfung kommt, muss Politik und Gesellschaft jetzt in die Hände spucken und die strukturellen Probleme des Landes lösen. Steuersenkungen, Leistungsanreize und weniger Bürokratie sind die Gegenmittel, die unser Land wieder fit machen. Es gilt jetzt rasch zu handeln, das Zeitfenster für Weichenstellungen ist kurz, weil Investitionsentscheidungen im Ausland langfristig wirken“, betont Haindl-Grutsch abschließend. „Österreich ist in den letzten Jahren schlicht zu teuer, überreguliert und etwas saturiert geworden. Wir sind Opfer des eigenen Erfolges!“ 


Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der IV beteiligten sich in Oberösterreich 103 Unternehmen mit rund 109.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

Foto: IV OÖ
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