Arbeiten in Österreich neu gestalten

Arbeitsleid, Frühpension, Leistungsdemotivation, Klassenkampf – die politische Diskussion in Österreich rund um das Thema Arbeit ist realitätsfern, veraltet und oftmals gecancelt. Es ist höchste Zeit, die Rahmenbedingungen in Österreich an eine moderne und zukunftsfähige Arbeitswelt anzupassen. 10 Punkte zeigen den Reformbedarf deutlich auf.

Der Arbeitskräftemangel im Industrieland Oberösterreich ist enorm und wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung weiter verschärfen. Dienstleistungseinschränkungen in der Medizin, der Pflege, in den Schulen, in Hotellerie und Gastronomie sowie Produktionsverlagerungen der Industrie ins Ausland sind bereits Realität. Zusätzlich werden umfassende Investitionen im Zuge der Twin Transition von Digitalisierung und Dekarbonisierung den Bedarf an richtig qualifizierten Arbeitskräften weiter enorm erhöhen. "Der Arbeitskräftemangel bleibt heute und in Zukunft das dominierende Thema und die Achillesferse für den Standort“, so Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ).

 Die Rahmenbedingungen für Arbeit und Leistung in Österreich sind aus der Zeit gefallen und gehören dringend an die Herausforderungen unserer neuen Arbeitswelt angepasst, wie die nachfolgenden zehn Punkte deutlich machen:

  1.  Sinnkrise einer Freizeitgesellschaft: Viel zu oft dominiert in der öffentlichen Diskussion das Arbeitsleid, als ob das Arbeitsleben so schnell wie möglich hinter uns gebracht werden müsste. Die Sinnstiftung muss wesentlich stärker in den Mittelpunkt gerückt, Qualifizierung und Aufstieg belohnt werden.
  2. Mehr Arbeit als Menschen: Die Angst vor sinkenden Chancen am Arbeitsmarkt ist völlig unbegründet. Niemand nimmt in Österreich jemanden die Arbeit weg – weder der Roboter dem Menschen („Maschinensteuer“) oder Ältere den Jüngeren noch Ausländer den Inländern. Im Gegenteil müssen alle Potenziale genutzt werden, damit der Wirtschaftsstandort Österreich zukunftsfähig bleibt. Die Umverteilung von Arbeit ist generell im Zeitalter der Fachkompetenz nicht möglich.
  3. Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit fördern: Arbeitslosigkeit muss durch Jobvermittlung und Qualifizierung rasch beendet werden. Es braucht stärkere Anreize zum Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt (degressives Arbeitslosengeld) anstelle von staatlicher Förderung von Arbeitslosigkeit und geringfügiger Beschäftigung.
  4. Wer rechnen kann reduziert Stunden: Österreich ist zur Teilzeitrepublik geworden. Seit 20 Jahren wurde in Österreich netto keine Vollzeitstelle geschaffen. Jeder, der es sich in Österreich leisten kann und nachrechnet, zieht aus steuerlichen Gründen Teilzeit der Vollzeit vor. Österreich liegt am drittletzten Platz beim Nettoeinkommenszuwachs bei Ausweitung der Teilzeit.
  5. Ausbau der Kinderbetreuung nur Teilaspekt: Der Ausbau der Kinderbetreuung ist wichtig, löst aber das Teilzeitproblem bei Frauen nicht. Auch in Wien steigt beispielsweise die Teilzeitquote trotz voll ausgebauter Kinderbetreuung.
  6. Mehrarbeit ist Dienst am Staat: Geleistete Überstunden werden viel zu hoch besteuert. In Zeiten akuten Arbeitskräftemangels dürfen jene, die zu Mehrleistung bereit sind, nicht bestraft werden. Aktuell lohnt sich Mehrleistung in Österreich nur für den Finanzminister.
  7. Generelle Arbeitszeitverkürzung wäre Schuss ins Knie: Eine generelle Arbeitszeitverkürzung (mit vollem Lohnausgleich) bei Vollzeit auf 32 Stunden wäre fatal für den heimischen Standort. Schon jetzt fehlen die Arbeitskräfte in allen Bereichen, eine Verkürzung würde mehrere hundert Millionen geleisteter Arbeitsstunden pro Jahr wegfallen lassen, für die es niemanden gibt, der sie leisten könnte. Der Wohlstand in Österreich würde erodieren, die internationale Wettbewerbsfähigkeit ginge verloren.
  8. Systemerhaltung Schule: Das Schulsystem ist zu sehr mit der Verwaltung und Erhaltung des bestehenden Systems beschäftigt als damit, junge Menschen für Zukunftsberufe zu qualifizieren. Eine Modernisierung und Weiterentwicklung in allen Bereichen des Lernens sind dringend erforderlich, Leistung muss sich auch für die Pädagogen lohnen.
  9. Arbeiten im Alter unerwünscht: Freiwilliges Weiterarbeiten nach Erreichen des Regelpensionsalters wird bestraft statt gefördert. Ein wesentliches Potenzial für den Arbeitsmarkt bleibt damit ungenützt.
  10. Diskussion des Pensionsantrittsalters gecancelt: Ausbildungsdauer und Lebenserwartung sind stark gestiegen, das faktische Pensionsantrittsalter liegt weiterhin deutlich unter dem gesetzlichen. Auch eine Diskussion über eine längst erforderliche Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalter findet nicht statt, obwohl die Finanzierung des Pensionssystems in Zukunft den Staatshaushalt über den Maßen belasten wird.

 „Am Arbeitsmarkt entscheidet sich die Zukunft unseres Landes. Es wird Zeit, eine zeitgemäße Diskussion über die Rahmenbedingungen unserer Arbeitswelt ideologiefrei zu diskutieren und ein Anreizsystem zu schaffen, dass Leistung belohnt. Die Weiterführung des bestehenden Systems lässt die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes erodieren und führt zu Wohlstandsverlust der Bevölkerung sowie zur Unfinanzierbarkeit des Sozialsystems“, betont Haindl-Grutsch abschließend.