Die am Konjunkturhimmel der OÖ. Industrie aufgezogene Gewitterfront rückt näher: Das Konglomerat aus Krisen, die überwiegend auf das geopolitische Umfeld zurückzuführen und über ganz Europa hereingebrochen sind, lässt den Optimismus in der OÖ. Industrie schwinden und einen turbulenten Herbst erwarten. Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) über das 2. Quartal 2022 (97 Unternehmen mit insgesamt fast 116.000 Mitarbeitern) weisen weiterhin eine positive Geschäftslage aus, gleichzeitig haben sich die Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate nach ihrem Absturz im Vorquartal im Minusbereich verfestigt. Als Ergebnis daraus geht das IV OÖ-Konjunkturbarometer, das sich als Mittelwert aus den Beurteilungen der aktuellen Geschäftslage und der Geschäftslage in 6 Monaten errechnet, von zuvor +12,5 auf nunmehr +10 Punkte zurück. „Zusätzlich zu explodierenden Energiekosten und dem latenten Arbeitskräftemangel verstärkt die Sorge um ausbleibende Gaslieferungen in allen Branchen den Pessimismus“, analysiert IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch die Umfrageergebnisse. „Die Unsicherheit bleibt der dominante Faktor und sorgt für die niedrigen Werte bei den Geschäftserwartungen.“
Die aktuelle Geschäftslage wird trotz Lieferkettenproblemen und Kostensteigerungen positiv beurteilt. Konkret meldeten – gewichtet nach Mitarbeiterzahlen – 63 Prozent der an der IV OÖ-Konjunkturumfrage teilnehmenden Betriebe eine gute und 35 Prozent eine gleichbleibende Geschäftslage ein, lediglich 2 Prozent der Betriebe beurteilten ihre Geschäftslage mit „schlecht“. Der Saldo aus Positiv- und Negativmeldungen liegt somit bei +62 Prozentpunkten (Rundungsdifferenzen werden nicht berücksichtigt). Auch die Auftragsbestände (Saldo: +67 Prozentpunkte, zuvor +68) bleiben auf hohem Niveau, zu einem guten Teil getragen von den Auslandsaufträgen, bei denen der Saldo sogar von +60 auf nun +71 Punkte angestiegen ist. Die weiterhin hohen Auftragsbestände dürften auch dafür verantwortlich sein, dass sich die im Vorquartal in den Minusbereich gekippten Salden bei der Produktionstätigkeit in 3 Monaten und der Auslastung der Produktionskapazität in 3 Monaten (jeweils -3 Punkte) wieder der Nulllinie annähern. Im tiefen Minusbereich verfestigt haben sich hingegen die Einschätzungen der Geschäftslage in 6 Monaten (-42 Punkte) und der Ertragssituation in 6 Monaten (-39 Punkte). Dass gerade die zukünftige Ertragssituation so negativ beurteilt wird, ist einerseits auf die massiv gestiegenen Energiekosten und andererseits auf den erreichten Plafond der Erzeugerpreise zurückzuführen. Lag bei den Verkaufspreisen in 3 Monaten der Saldo des Vorquartals noch bei +85 Punkten, so normalisierte er sich zuletzt bei +26 Punkten.
Für die IV OÖ bestätigt sich mit den Ergebnissen der aktuellen Konjunkturumfrage eine Entwicklung, die sich unter anderem schon im Zuge der traditionellen, einmal jährlich durchgeführten IV OÖ-Mitgliederbefragung abzeichnete. „Daran beteiligten sich heuer knapp 200 Spitzenmanager der heimischen Leitbetriebe und auch hier stürzte der Anteil jener, die an eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Österreichs innerhalb der nächsten zwölf Monate glauben, auf zwei Prozent ab“, erklärt Haindl-Grutsch. Im Vorjahr sei dieser Prozentsatz infolge des ersten „überstandenen“ Corona-Jahres noch auf dem Rekordhoch von 76 Prozent gelegen. „Mitte Juni hofften gerade einmal 34 Prozent, dass die Wirtschaftslage in Österreich gleichbleiben werde, fast zwei Drittel der Befragten gingen von einer Verschlechterung aus. Dies ist der schlechteste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2004 und ein untrügliches Zeichen für die aktuelle Krisenstimmung“, betont der IV OÖ-Geschäftsführer.
Trotz aller geopolitischen Unsicherheiten bleibt für die OÖ. Industrie ein anderes Thema die Top-Herausforderung der kommenden Zeit: Laut IV OÖ-Mitgliederbefragung wird der dramatische Arbeitskräftemangel mit klarem Abstand als das drängendste Problem der nächsten fünf Jahre gesehen. Insgesamt 95 Prozent der Befragten hielten das Finden qualifizierter Mitarbeiter für das größte oder zumindest für ein schwerwiegendes Problem, gefolgt vom Themenkomplex Energiekosten, Umwelt und Klimaschutz (77 %) sowie von der Verfügbarkeit von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten (76 %). „Damit manifestiert sich der Energiebereich als weiteres Sorgenkind neben dem Mitarbeiter-Thema“, erklärt Haindl-Grutsch. Beachtenswert sei auch, dass weder die aktuelle Unsicherheit noch der Ausblick auf die drängendsten Probleme der kommenden Jahre nennenswerte Auswirkungen auf die allgemeine Bewertung des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich hat. Ähnlich wie im Vorjahr blieben auch heuer 67 Prozent der Befragten der Meinung, dass Oberösterreich als Wirtschaftsstandort im Vergleich zu anderen Bundesländern besser dasteht, 26 Prozent halten ihn für gleich gut und nur 4 Prozent für weniger gut als die übrigen Bundesländer.
Angesichts der anstehenden Herausforderungen und Probleme haben die heimischen Spitzenmanager auch eine klare Meinung darüber, welche Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung gesetzt werden sollten, um den Standort Oberösterreich zukunftsfit und resilient zu machen. An die Spitze eines potenziellen Maßnahmenpaketes reihen sie entsprechende Entlastungen bei Energiekosten und eine Sicherstellung der Energieversorgung. 96 Prozent der IV OÖ-Mitglieder sehen darin die höchste bzw. eine hohe Priorität und definieren damit ihre Anforderungen an die Bundes- und Landesregierung klar und deutlich. Fast ebenso viele (94 %) weisen der Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten eine entsprechende Priorität zu. „Mit immerhin 83 Prozent rangiert eine Technologieoffensive in der Klimapolitik auf dem dritten Platz, die Führungskräfte der OÖ. Industrie sprechen sich damit klar gegen einseitige Verbote oder Förderungen einzelner Technologien – etwa ein generelles Verbot von Verbrennungsmotoren im Bereich der Antriebstechnologien – aus“, erklärt IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch abschließend. Weitere Prioritäten der IV OÖ-Mitglieder seien die Umsetzung einer MINT-Offensive (79 %) sowie Investitionen in Infrastruktur wie Straße, Schiene, Energie oder Breitband (78 %).