Während die Welt mit 3,2 Prozent solide wächst und es über 60 Länder gibt, die mit über vier Prozent wachsen, fällt Europa im Vergleich zu den USA und China immer weiter zurück. Eine tektonische Plattenverschiebung ist im Gange. Innerhalb Europas wurden Deutschland und Österreich zu wirtschaftlichen Nachzüglern, der Exportmotor läuft nicht mehr rund. „Der Industriestandort Österreich befindet sich in der Krise wie zuletzt in den 1990er Jahren. Die heimischen Standortprobleme haben vorrangig strukturelle Ursachen, Österreich hat im internationalen Vergleich zu hohe Personal-, Energie- und Bürokratiekosten“, erklärt der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) Dr. Joachim Haindl-Grutsch. Die Konfrontation mit der Realität ist unvermeidlich: „Überdurchschnittlich stark steigende Tariflöhne bei gleichzeitig stagnierender Produktivitätsentwicklung führen zu hohen Lohnstückkosten, die im globalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sind. Sinkende Jahresarbeitszeiten und eine im europäischen Vergleich sehr hohe Teilzeitquote verstärken den Negativtrend. Trotz üppiger heimischer Wasserkraft ergeben sich keine Stromkostenvorteile für die Betriebe, auch günstige Gaspreise sind für die Industrie seit dem Ukrainekrieg Geschichte. Durch Gold-Plating – besonders augenscheinlich beim Ziel der Klimaneutralität 2040 statt 2050 – verschärft Österreich die Regulierungskostenlawine aus Brüssel zusätzlich. Alles zusammen ergibt ein düsteres Bild über den Zustand des heimischen Standortes.“
Dementsprechend negativ stellt sich die Stimmungslage in der OÖ. Industrie dar, wie aus den Ergebnissen der Konjunkturumfrage der IV OÖ über das dritte Quartal 2024 (97 teilnehmende Firmen mit insgesamt rund 128.000 Mitarbeitern) hervorgeht. Das Konjunkturbarometer, welches sich als Mittelwert aus aktueller Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten errechnet, sinkt mit -21,5 Punkten (nach -2 Punkten im Vorquartal) wieder drastisch unter die Nulllinie, die heimische Industrie befindet sich im dritten Jahr der Rezession.
Die Konjunktur-Ergebnisse im Detail
Die aktuelle Geschäftslage fällt von -12 Punkte auf -35 Punkte und damit auf den niedrigsten Wert seit dem Ausbruch der Corona-Krise im zweiten Quartal 2020. Auch die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten fällt von +8 auf -8 Punkte wieder ins negative Terrain, der zarte Optimismus der Vorquartale in der Einschätzung der kommenden Monate ist wieder verflogen. Die Werte zum aktuellen Auftragsbestand fallen ebenfalls stark von -7 auf -37 Punkte, jene zu den Auslandsaufträgen bleiben stabil (-5 Punkte nach -8). Auch die Einschätzungen der Produktionstätigkeit in drei Monaten (-41 Punkten nach -9 Punkten) und die Auslastung der Produktionskapazitäten in drei Monaten (-43 Punkte nach -6 Punkten) kommen wieder tief im Minus zu liegen. Die Einschätzungen der Verkaufspreise in drei Monaten (von -11 auf -28 Punkte) und der aktuellen Ertragssituation (von -16 auf -46 Punkte) fallen stark. Auch der Ausblick bleibt skeptisch, die Ertragssituation in sechs Monaten wird mit -15 Punkte schlecht eingestuft. „Die hohen Kosten können nicht mehr entsprechend an die Kunden weitergegeben werden, der Standort Österreich ist im internationalen Vergleich schlicht zu teuer geworden“, betont Haindl-Grutsch.
Personalabbau beschleunigt sich
Die Einschätzung für den Beschäftigtenstand in drei Monaten fällt von -19 auf nunmehr -54 Punkte und erreicht damit beinahe wieder den Tiefstwert vom vierten Quartal 2023. „59 Prozent der teilnehmenden Betriebe melden den weiteren Abbau von Personal, nur 5 Prozent planen einen Aufbau. Die Krise des Industriestandortes Österreich wird immer stärker auch am Arbeitsmarkt sichtbar“, so Haindl-Grutsch. „Die Deindustrialisierung beschleunigt sich. Wir haben alles, nur keine Zeit für monatelangen politischen Stillstand.“
Standort-Rettungspaket notwendig
Eine neue Bundesregierung muss im ersten Schritt rasch wirksame Maßnahmen setzen, um den Abfluss von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen aus Österreich zu bremsen und das Vertrauen in den Standort wieder aufzubauen. Ein Standort-Rettungspaket ist notwendig.
Beim Industrie-Summit OÖ | NÖ am 11. Oktober in Linz haben die beiden Bundesländer folgende sieben Maßnahmen definiert, die die höchste Priorität und die größte Hebelwirkung zur kurzfristigen Stärkung des Industriestandortes Österreich haben:
Auf nächste Bundesregierung wartet Mammutaufgabe
Zusätzlich zu diesen kurzfristig wirksamen Maßnahmen braucht es ein Regierungsprogramm, das über fünf Jahre hinweg echte Reformen umsetzt. Die Alternative wäre eine langfristig stagnierende Wirtschaft mit steigender Arbeitslosigkeit und rückläufigem Wohlstand. „20 Jahre Stagnation wie in Japan oder Italien sollten für Österreich ein warnendes Beispiel sein“, so Haindl-Grutsch. „Eine neue Bundesregierung stehe vor der enormen Herausforderung, das Budget zu sanieren, die Steuern zu senken, bei den Kosten zu bremsen und gleichzeitig Mehrarbeit zu fördern sowie bei Forschung und Infrastruktur Gas zu geben. Ohne Schmerzen kriegen wir den Standort nicht wieder auf Schiene“, betont der IV OÖ-Geschäftsführer abschließend.