Konjunktur- und Finanzmarktausblick: Oberösterreich von weltweiter Konjunkturabkühlung betroffen – Internationale Risiken nehmen weiter zu – Nur zukunftsfähige Standortpolitik schützt vor strukturellen Problemen
Die Frühindikatoren für die Entwicklung der Weltwirtschaft hätten sich seit Herbst letzten Jahres drastisch verschlechtert und ließen darauf schließen, dass es sich bei den aktuellen Wachstumsrückgängen um ein globales Problem handelt, das voraussichtlich nicht in wenigen Monaten ausgestanden sein wird, erklärte Univ.-Prof. Dr. Teodoro Cocca (JKU Linz, Institut für betriebliche Finanzwirtschaft) im Konjunktur- und Finanzmarktausblick bei einer „Industrie im Dialog“-Veranstaltung der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ): „Das globale Wirtschaftswachstum für 2019 wird auf nur mehr 3,2 Prozent geschätzt, ein weiteres Absinken auf unter 3 Prozent wäre allerdings besorgniserregend. Für die Eurozone liegt die Konsensprognose aktuell nur mehr bei einem Prozent.“ Die steigende Zahl politischer Herausforderungen auf der Weltbühne, der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie die Ungewissheit über den anstehenden Brexit würden die Situation noch verschärfen: „US-Präsident Trump ist es gelungen, China weh zu tun. Der Handelskonflikt ließ das chinesische Exportwachstum auf null Prozent kollabieren, obwohl das Kreditvolumen in den vergangenen Jahren fast doppelt so schnell zugenommen hat wie das BIP“, so Cocca. Zugleich bleibe weiterhin ungewiss, ob der Brexit mit oder ohne Abkommen stattfinden oder doch ein weiteres Mal verschoben wird. Aus europäischer wie auch aus oberösterreichischer Sicht sei mit dem Abbremsen der deutschen Wirtschaft nun ein weiteres Problem aufgetaucht. Exemplarisch dafür stünden die Einbrüche in der deutschen Automobilproduktion. „Der Effekt zeigt sich allerdings noch nicht über die gesamte Eurozone. Entscheidend wird sein, ob die derzeit noch stützenden Kräfte weiterhin wirksam bleiben“, sagte Cocca, der die Auswirkungen auf Oberösterreich folgendermaßen erklärte: „Die Konjunkturabkühlung trifft unser Land 2019 noch nicht dramatisch. Die Probleme Deutschlands könnten allerdings länger andauern, weil sie teilweise struktureller Natur sind, und entsprechende Effekte auf Österreich und Oberösterreich mitbringen.“ Insgesamt fasste er das weltweite Wirtschaftsklima bildlich zusammen: „Man sieht nicht nur die Gewitterwolken am Konjunkturhimmel, man hört nun auch das Donnern. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Sturm tatsächlich losbricht. Es gibt weiterhin auch intakte Chancen für eine Erholung.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion berichtete Karl Weidlinger, Geschäftsführer der Swietelsky Baugesellschaft m.b.H., über eine nach wie vor sehr gut ausgelastete Bauindustrie, die dem Konjunkturzyklus traditionell mit einem Zwei-Jahres-Abstand folgt und von geringer ausgeprägten Spitzen geprägt ist. „Die Baubranche ist immer noch mit der Aufarbeitung von zurückgestellten Projekten aus den Krisenjahren 2008 bis 2012 beschäftigt und profitiert sowohl von den Investitionen im privaten Bereich sowie vom Nachholbedarf im öffentlichen Sektor“, so Weidlinger. In Richtung neue Bundesregierung plädierte er für den kräftigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Städten, für Deregulierung und Strukturreformen sowie für pragmatische Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes.
Ing. Franz Hammelmüller, Geschäftsführer der SKF Österreich AG, berichtete von deutlichen Einbrüchen in der Automobilindustrie, während sich andere Industriebranchen weiterhin gut entwickeln – beispielsweise der Windenergiebereich in Asien. Entscheidend für die Zukunft am Standort sei, dass von der Politik in den Bereichen Bildung und Qualifizierung, Innovation und neue Technologien noch verstärkt Schwerpunkte gesetzt werden. „Energie- und Umweltthemen sind in der heimischen Industrie seit vielen Jahren im Fokus, um die Energie- und Rohstoffeffizienz und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“
IV OÖ-Präsident Dr. Axel Greiner betonte die hohe Bedeutung gesunder öffentlicher Haushalte, zu denen sich Oberösterreichs Landespolitik und zuletzt auch die abgewählte Bundesregierung bekannt haben: „Wer finanziell gut aufgestellt ist, braucht sich vor Einbrüchen nicht zu fürchten“, so Greiner. Die kommende Bundesregierung müsse im Rahmen der Steuerreform für die Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sorgen sowie den Ausbau der MINT-Qualifikationen und der Infrastruktur vorantreiben. „Beim Thema Klimaschutz hat die OÖ. Industrie bereits in den vergangenen Jahrzehnten durch Investitionen in Energie- und Umwelttechnologien umfassende Verbesserungen erzielt, ist dabei weltweit führend und wird auch in Zukunft Teil der Lösung sein“, bekräftigte der IV OÖ-Präsident: „Entscheidend ist, dass Europa weiterhin eine drohende Abwanderung der Industrie durch Carbon Leakage im Auge behält!“
Linz, 09. Oktober 2019