Die Versorgung mit Gas ist für die heimische Industrie die zentrale Standortfrage und hat entscheidende Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung in unserem Land. Die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) führte aus diesem Grund von 7. bis 11. Juli eine Blitzumfrage in der OÖ. Industrie durch. Dabei meldeten insgesamt 60 Betriebe, die Gas im Produktionsprozess und zu Heizungszwecken einsetzen, einen Gesamtgasverbrauch von knapp 15.000 GWh Jahresverbrauch zurück. Mehr als 90 Prozent der Gasmenge entfällt dabei auf wenige besonders energieintensive Betriebe, die aus der Metallindustrie, der Chemieindustrie, der Papierindustrie sowie der Nahrungsmittelindustrie und der Bauindustrie stammen. Zusätzlich zur energieintensiven Industrie kommt eine breite Palette an Betrieben aus unterschiedlichsten Branchen jeweils auf jährliche Gasverbräuche von ca. fünf bis 40 GWh, was im Durchschnitt etwa einem Gasverbrauch von 1.000 Haushalten entspricht.
Sehr breit gestreut ist demnach die aktuelle Betroffenheit von den stark gestiegenen Gaspreisen. „Während einige Betriebe in diesem Jahr aufgrund langfristiger Verträge und Preisabsicherungen noch mehr oder weniger unveränderte Gaskosten vorfinden, schlagen bei vielen Unternehmen Kostensteigerungen von 200 bis 500 Prozent und darüber bereits voll durch“, erklärt IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch.
Eine zumindest teilweise Umstellung auf einen anderen Energieträger ist kurzfristig nicht möglich, in sechs bis zwölf Monaten könnte zumindest ein gewisser Teil des Gasverbrauches – im Schnitt zwischen 30 und 70 Prozent – bei sechs von zehn Firmen theoretisch ersetzt werden. Besonders schwierig bis unmöglich ist dies bei den Großverbrauchern aus produktionstechnischen Gründen, der fehlenden Infrastruktur oder auch wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit von alternativen Brennstoffen in der benötigten Menge. Am einfachsten ist jenes Gas ersetzbar, welches zu Heizzwecken eingesetzt wird. Am häufigsten werden als Alternativen Heizöl und elektrischer Strom genannt, weitere Umstiegsmöglichkeiten werden bei Biomasse und Biogas, Flüssiggas, Wärmepumpen oder dem Zugang zu Fernwärme gesehen. Damit verbunden sind jedoch hohe Umstellungskosten und erhöhte Emissionen, Voraussetzung ist eine behördliche Genehmigung.
Sollte es im kommenden Winter aufgrund der zu geringen Verfügbarkeit von Gas zu Produktionseinschränkungen kommen müssen, so ist bei zwei Drittel der Betriebe, die an der Blitzumfrage teilgenommen haben, darunter auch bei Großverbrauchern, ein eingeschränkter Teilbetrieb zumindest nach einigen Wochen Vorlaufzeit möglich. Eine Produktportfolio- sowie Mengenanpassung würde erfolgen. Ein kompletter Stillstand würde jedoch viele Anlagen gefährden und hätte massive Folgen. Durch Abschaltung von Rauchgasreinigungsanlagen könnten deutliche Einsparungen erzielt werden, die jedoch mit wesentlich höheren Emissionen verbunden wären. „Völlig unklar ist, ob aufgrund der hochwahrscheinlichen Risse in den Lieferketten trotz Gasverfügbarkeit überhaupt noch produziert werden könnte“, betont Haindl-Grutsch.
Die eigenständige Einspeicherung von Gasmengen durch den Betrieb selbst ist nur bei fünf Prozent der Unternehmen bereits in Umsetzung, weitere 17 Prozent prüfen diese Option gerade. Für drei Viertel der Betriebe besteht aufgrund verschiedener Gründe keine Möglichkeit der Eigenvorsorge.
Besonders ernst zu nehmen ist von der Politik die Tatsache, dass 50 Prozent der Betriebe unabhängig von der jeweiligen Höhe des Gasbedarfs Teil der Wertschöpfungskette zur Grundversorgung der Bevölkerung sind. „Ein Ausfall würde die Nahrungsmittelproduktion und -verpackung, die Landwirtschaft, die Energieversorgung inkl. der Fernwärmeerzeugung, den öffentlichen Verkehr, die Müllentsorgung und Tierkörperverwertung, die Medikamentenproduktion und -logistik sowie die Medizintechnik, die Instandhaltung von zentralen Großanlagen wie Raffinerien, Chemieanlagen oder Kraftwerken und Leitungsnetzen oder auch den Bau massiv einschränken. Ein sozialer Notstand wäre die unmittelbare Folge. Bedenklich sind in diesem Zusammenhang auch Rückmeldungen von Betrieben, dass andere Länder in Europa offenbar besser vorbereitet seien als Österreich. „Es ist höchst an der Zeit für professionelles Krisenmanagement der Bundesregierung und in Brüssel“, betont Haindl-Grutsch abschließend.