FH-Ausbau auf schiefer Ebene

Wien und Niederösterreich werden beim Ausbau der Fachhochschulen seit 20 Jahren bevorzugt und halten gemeinsam die Hälfte aller Studienplätze, für Oberösterreich und den Rest von Österreich wird schlanke Trägerstruktur zum Nachteil – Stärkere Rücksichtnahme auf Standortanforderungen und Nachfrage aus der Wirtschaft bei Zuteilung von FH-Studienplätzen notwendig

Als stärkster Industriestandort der Republik ist Oberösterreich im Besonderen auf eine entsprechend ausgebaute Hochschulinfrastruktur angewiesen. Eine ganz wesentliche Rolle spielen dabei die Fachhochschulen und deren Absolventen. In Oberösterreich ist für die wirtschaftliche Entwicklung des Standortes vor allem die Fachhochschule Oberösterreich GmbH (FH OÖ) an den vier Standorten Wels, Hagenberg, Steyr und Linz mit rund 7.000 FH-Studenten entscheidend. Die FH OÖ ist im Bereich Forschung & Entwicklung die klare Nummer eins aller Fachhochschulen in Österreich und eng mit der OÖ. Industrie vernetzt. Zusätzlich gibt es mit der FH Gesundheitsberufe OÖ ein entsprechendes Studienangebot im medizinischen Bereich.

Insgesamt hat sich der Fachhochschulsektor in Österreich während der letzten 20 Jahre dynamisch entwickelt und sich von 17.000 Studienplätzen im Jahr 2002 auf 59.000 Studienplätze im Wintersemester 2020 mehr als verdreifacht. Aktuell gibt es in Österreich 21 Fachhochschulträger an insgesamt 33 FH-Standorten. Während „Restösterreich“ mit ein bis zwei FH-Trägern das Auslangen findet, sind in Wien und Niederösterreich jeweils fünf Trägerorganisationen für fünf Standorte in Wien und sieben Standorte in Niederösterreich zuständig. „Es ist die eine Frage, wie viele FH-Träger für ein effizientes Management des Sektors im Bundesland notwendig sind“, erklärt dazu Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ): „Eine höhere Zahl an Trägerorganisationen bringt aber offensichtlich Vorteile bei der Zuteilung von FH-Studienplätzen durch das Ministerium, weil diese auf Basis der Anträge der einzelnen FH-Träger verteilt werden.

Die Schere öffnet sich weiter: Hälfte aller FH-Plätze in Wien und NÖ

Interessant ist, wie sich die Anzahl der Studienplätze im FH-Sektor während der letzten zwei Jahrzehnte im Bundesländervergleich entwickelt hat. In absoluten Zahlen liegt Oberösterreich hinter Wien und Niederösterreich auf dem 3. Platz, gefolgt von Tirol und der Steiermark. In der Entwicklung der Studienplätze zeigt sich, dass sich der Vorsprung von Wien und Niederösterreich von 2002 bis 2020 massiv erhöht hat, die Schere von Wien und Niederösterreich zu den restlichen Bundesländern geht immer stärker auf. Knapp die Hälfte aller FH-Studienplätze stehen in Wien und Niederösterreich zur Verfügung. Oberösterreich hat mit 7.326 Studienplätzen im Wintersemester 2020 einen Anteil von 12,5 Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von 16,7 Prozent und einem industriellen Wertschöpfungsanteil von über 25 Prozent. Es zeigt sich damit im Fachhochschulsektor eine ausgeprägte Wien/Niederösterreich-Lastigkeit, wie Haindl-Grutsch festhält: „Wien hält bei einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 21,5 Prozent knapp 29 Prozent aller FH-Studienplätze, weitere 20 Prozent gehen an Niederösterreich. Den Rest teilen sich die übrigen sieben Bundesländer.“

Foto: IV OÖ/unidata


Selbst bei der Betrachtung der Technik-relevanten Studienplätze kommt Oberösterreich nur auf etwas mehr als die Hälfte der entsprechenden Plätze von Wien, was die Größe des jeweiligen Industriesektors der beiden Bundesländer in keiner Weise widerspiegelt. Der Mangel an Technikern ist in Oberösterreich enorm stark und führt dazu, dass Investitionen aufgrund des Mangels an MINT-Absolventen nicht in Oberösterreich getätigt werden. 

Foto: IV OÖ/unidata
Gießkannen-Methode verschärft die Schieflage

Die Systematik der regelmäßigen prozentuellen Erhöhungen der Studienplätze führe dazu, dass der Abstand zwischen den Bundesländern weiter zunimmt. „Anstelle der Fortschreibung dieser Gießkannen-Methode ist es notwendig, wesentlich stärker auf Standortanforderungen und die Nachfrage aus der Wirtschaft im jeweiligen Bundesland Rücksicht zu nehmen, um damit eine flächendeckende, zielgenaue Entwicklung des FH-Sektors österreichweit zu ermöglichen. Es ist nicht akzeptabel, dass die schlanke und effiziente Träger-Struktur der FH OÖ mit den vier großen Fachhochschulstandorten zum Nachteil bei der Vergabe von Studienplätzen für Oberösterreich wird“, so Haindl-Grutsch.

„Im Zuge der kommenden Ausbauschritte des FH-Sektors ist es notwendig, dass die FH OÖ unter der Federführung von Markus Achleitner als zuständigem Landesrat den erhöhten Bedarf für unseren Standort klarlegt und die Schieflage deutlich anspricht. Die OÖ. Industrie steht dabei zur kräftigen Unterstützung jedenfalls zur Verfügung“, erklärt IV OÖ-Geschäftsführer Dr. Joachim Haindl-Grutsch abschließend.