Energie- und Arbeitskräftekrise erfordern rasches Gegensteuern Europas

IV OÖ-Präsident Pierer beim IV-Advent-Empfang: Dramatische Strompreis-Nachteile sind im Wasserkraftland Österreich nicht mehr zu argumentieren und zerstören die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes – Arbeitskräftemangel lässt bereits industrielle Wertschöpfung verlorengehen – Wachstumseinbruch Chinas zeigt auch Auswirkungen auf das exportorientierte Europa

Das Jahr 2022 sei völlig anders verlaufen als es von der OÖ. Industrie erwartet wurde, erklärte Dipl.-Ing. Stefan Pierer, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), beim traditionellen IV-Advent-Empfang, der erstmals nach zweijähriger Corona-Pause in der Linzer Brauerei in der Tabakfabrik über die Bühne ging. „Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen gab es die Hoffnung auf ein starkes Wachstumsjahr mit weniger Problemen. Gekommen ist es leider völlig anders“, erklärte Pierer im voll besetzten Veranstaltungssaal der Linzer Brauerei. Der Ukraine-Krieg habe eine Energiekrise verursacht, die Inflation explodieren lassen und zu einem Totalversagen der EU geführt: „Wenn man – die übrigens völlig richtigen – Sanktionen gegen Russland beschließt und umsetzt, muss man sich darauf vorbereiten, um die Auswirkungen abzufedern. Genau das ist aber nicht passiert“, kritisierte der IV OÖ-Präsident. Nun versuche jeder einzelne EU-Mitgliedsstaat, eine eigene nationale Lösung für die Energiekrise zu finden: „In der aktuellen Kriegssituation funktioniert das Merit-Order-Prinzip nicht. Wir brauchen eine Entkopplung von Gas- und Strompreis. Es ist längst nicht mehr zu argumentieren, dass Österreich mit knapp 80 Prozent erneuerbarer Stromproduktion - einem Spitzenwert in Europa - und davon mehr als 60 Prozent aus Wasserkraft dramatische Nachteile bei den Stromkosten hat. Die Strompreiskompensation und der Energiekostenzuschuss der österreichischen Bundesregierung reichen bei weitem nicht aus und sind nur ein Pflaster auf eine triefende Wunde.“ Wenn Deutschland wie soeben einen „Doppel-Wumms“ ankündigt und 200 Milliarden Euro für eine Gas- und Strompreisbremse ankündigt, müsse Österreich aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Deutschland so rasch wie möglich nachziehen, um massive Wettbewerbsnachteile für die heimische Industrie zu vermeiden. 

„Jetzt Vorbereitungen treffen, um rasch handeln zu können“ 

Diese Einschätzung des IV OÖ-Präsidenten teilte auch Standortlandesrat Markus Achleitner in seinem Statement zum IV-Advent-Empfang und bezeichnete es als eine Blamage für die EU, dass sich die Energieminister vergangenen Donnerstag nicht auf einen Gaspreisdeckel einigen konnten: „Da nun Deutschland eine Milliarden-schwere Gas- und Strompreis-Bremse angekündigt hat, muss aufgrund der engen Verzahnung mit unserem wichtigsten Wirtschaftspartner auch Österreich rasch handeln. Auch wenn noch nicht klar ist, wie Deutschland diese Maßnahmen konkret umsetzen will, muss der Bund schon die entsprechenden Vorbereitungen treffen, um dann rasch handeln zu können“, betonte Achleitner. Auf Ebene der Wirtschaftsreferentinnen und -referenten der Bundesländer sei eine klare Festlegung getroffen worden, dass für die Energieversorgungsunternehmen der Preis für das Gas zur Stromerzeugung gedeckelt werden soll. „Damit könnten die EVUs den Unternehmen dann kalkulierbare Strompreise bieten und so für Planungssicherheit sorgen. Diese Maßnahme kann schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Denn die Betriebe brauchen Planbarkeit für ihre Investitionsentscheidungen, andernfalls werden diese Entscheidungen für Standorte außerhalb Oberösterreichs oder Österreichs getroffen und wären so für uns unwiederbringlich verloren!“ 

Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in Europa 

Für IV OÖ-Präsident Stefan Pierer stand jedenfalls fest, dass alles unternommen werden müsse, um die Wettbewerbsnachteile der heimischen Industrie zu reduzieren; dennoch müsse man sich in Österreich langfristig auf ein Energiekostenniveau einstellen, das um das Zwei- bis Zweieinhalbfache über jenem vor der Energiekrise liegen würde. Die Auswirkungen seien schon jetzt deutlich zu spüren: „Die Vereinigten Staaten kämpfen zwar ebenso wie Europa mit einer hohen und mittlerweile wieder abnehmenden Inflation, die Energiekosten sind dort aber weiterhin so niedrig wie vor der Energiekrise.“ Auch die indische Volkswirtschaft werde von den international höchst unterschiedlichen Energiepreisen massiv profitieren, lediglich die Zukunft Chinas sei schwer einzuschätzen. „China erlebt derzeit eine Zeitenwende“, erklärte Pierer, „die Kommunistische Partei greift wieder massiv in das Wirtschaftsgeschehen ein. Die Auswirkungen der Covid-Lockdowns und des geringen Wirtschaftswachstums werden wir auch im exportorientierten Europa zu spüren bekommen.“ 

Arbeitskräftemangel lässt Wertschöpfung verlorengehen 

Als zweites dominantes Thema für das Industrieland Oberösterreich sprach IV OÖ-Präsident Pierer den massiven Arbeitskräftemangel an. Auch hierbei handle es sich um eine dramatische Situation, durch die schon jetzt industrielle Wertschöpfung verloren gehe. „In den nächsten zwölf Jahren werden österreichweit rund 540.000 Fach- und Arbeitskräfte fehlen“, so Pierer, der für viel stärkere steuerpolitische Anreize appellierte, damit sich Leistung wieder lohnt in unserem Land. „Den Wohlstand, den die letzten zwei Generationen mit Arbeit aufgebaut haben, erhalten und bauen wir nicht mit ‚Work-Life-Balance‘ aus, sondern nur mit Engagement und freiwilliger Mehrleistung bei entsprechender Entlohnung.“ Es müssten alle Potenziale am Arbeitsmarkt gehoben werden, damit die Industrie auch in Zukunft in Österreich investieren kann. „Unser Maßnahmenpaket enthält deshalb zehn schnell umsetzbare Maßnahmen. Sie gelten für Menschen im besten Erwerbsalter, die Überstunden leisten und zu Nachtarbeit bereit sind oder von Teilzeit in die Vollzeit wechseln, genauso wie für Personen, die weiterarbeiten, obwohl sie bereits das Regelpensionsalter erreicht haben“, so Pierer, der abschließend betonte: „Unser Wohlstand lässt sich angesichts des anstehenden demographischen Wandels nur durch Mehrleistung und qualifizierte Zuwanderung erhalten!“

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