Eine Reihe unterschiedlicher Entwicklungen führt in jüngster Zeit zu massiv steigenden Energiekosten für die produzierenden Unternehmen im Allgemeinen und für die energieintensiven Betriebe im Besonderen. „Wir erleben hier existenzbedrohende Ausmaße“, warnt dazu IV OÖ-Präsident Dr. Axel Greiner: „Die Preise für Strom und Gas liegen ein Vielfaches über dem Vor-Krisenniveau, alleine die Gaspreise liegen beim Siebenfachen einer konjunkturellen Normallage.“ Für die österreichische und insbesondere die oberösterreichische Industrie ergibt sich durch die auch hausgemachte Entwicklung ein massiver Standortnachteil, wie etwa der Vergleich mit Deutschland zeigt: Dort sind die Stromkosten – je nach Jahreszeit – bis zu 15 Prozent niedriger als in Österreich; ganz zu schweigen von den skandinavischen Staaten oder Ländern außerhalb Europas wie z.B. den USA.
Vor allem für die energieintensiven Unternehmen in Oberösterreich stellen die derzeit explodierenden Energiepreise eine Herausforderung historischen Ausmaßes dar – mit dramatischen Folgen für den gesamten Wirtschaftsstandort und zig Tausende Arbeitsplätze. „Es ist daher legitim und wichtig, dass Maßnahmen gesetzt werden, um neben den Haushalten auch die betroffenen Unternehmen zu entlasten und sie darüber hinaus bei der Transformation unseres Energiesystems zur CO2-Neutralität zu unterstützen“, so Greiner. Viele Unternehmen stünden mit dem Rücken zur Wand: „Was sie nun brauchen, ist eine spürbare Entlastung. Die Strompreiskompensation würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe kurzfristig steigern und wäre ein wirkungsvoller Schutz vor indirektem Carbon Leakage!“
Die Voraussetzungen dafür wurden von der EU-Kommission schon vor längerem geschaffen. Gemäß ETS-Richtlinie kann und soll einerseits eine Verlagerung von CO2-Emissionen (sog. Carbon Leakage) aufgrund des EU-Emissionshandels in das nicht-europäische Ausland verhindert und andererseits die Wettbewerbsverzerrung zulasten der europäischen Industrie auf ein Minimum begrenzt werden. Von „indirektem Carbon Leakage“ spricht man, wenn diese Verlagerung von Produktion und damit von Emissionen durch höhere Strompreise verursacht wird. Um dies zu vermeiden, können gemäß Emissionshandels-Richtlinie und EU-Beihilfe-Leitlinien in einigen Wirtschaftssektoren und Teilsektoren die durch den Emissionshandel erhöhten Stromkosten besonders stromintensiver Produktionsprozesse finanziell kompensiert werden. Diese Bestimmung wurde jedoch nicht EU-weit vereinheitlicht, sondern muss von den jeweiligen Mitgliedstaaten mittels nationaler Regelungen umgesetzt werden. Während Deutschland und viele weitere EU-Staaten – darunter Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande oder Tschechien, Polen und die Slowakei – ihrer Industrie diese Kostenkompensation zugestehen, hat Österreich diese Möglichkeit bisher nicht umgesetzt. Einnahmen aus den Versteigerungen von Emissionszertifikaten fließen hier ins allgemeine Bundesbudget. In Deutschland sind diese Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel hingegen für einen Energie- und Klimafonds zweckgewidmet. Dieser Fonds finanziert zum einen unterschiedliche Programme in den Bereichen Gebäudesanierung, Forschung und Innovation sowie zum anderen die Strompreiskompensation für bestimmte stromintensive Anlagen.
„Wir brauchen eine Strompreiskompensation – und wir brauchen sie jetzt!“, fordert der IV OÖ-Präsident. Die derzeit explodierenden Energiepreise machen überdeutlich, wie wichtig eine sichere, ausreichende Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen ist. Der Ende Jänner 2022 stattgefundene Energiepreisgipfel brachte für massiv betroffene Unternehmen allerdings keine ausreichenden Ergebnisse. Vor allem die in energieintensiven Unternehmen Oberösterreichs – darunter fallen die Metallerzeugung und -bearbeitung, die Papierindustrie, die Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie die Herstellung von Glas, Keramik und Zement – aber auch die Automotive Industrie sehen sich weiterhin mit einer dramatischen Energiepreisentwicklung konfrontiert. Deren jährliche Aufwendungen für Energie liegen in Relation zum erwirtschafteten Produktionswert deutlich über dem Durchschnitt und machen die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen besonders anfällig für steigende Energiepreise.
Die enormen Auswirkungen auf die österreichische Volkswirtschaft verdeutlichen die folgenden Zahlen: Der Gesamtenergieverbrauch des Produzierenden Bereichs Oberösterreichs entspricht in etwa einem Drittel des Produzierenden Bereichs Österreichs. Beinahe zwei Drittel der Energie werden im Bereich Papier und Pappe (23 Prozent), Chemie und Petrochemie (21 Prozent) sowie Eisen- und Stahlerzeugung (19 Prozent) verbraucht. Die energieintensive Industrie Oberösterreichs erwirtschaftete im Jahr 2019 einen Umsatz von 14,5 Mrd. Euro, die über indirekte und induzierte Effekte insgesamt 27 Mrd. Euro an Umsätzen in Österreichs Wirtschaft initiieren. Rund 36.800 Personen werden beschäftigt, insgesamt (direkt, indirekt und induziert) sichert die energieintensive Industrie Oberösterreichs 117.500 Beschäftigungsverhältnisse durch ihren laufenden Betrieb in der heimischen Volkswirtschaft ab, davon 66.000 in Oberösterreich.
Die enorme Bedeutung der Automotiven Industrie Oberösterreichs (Automotive Zulieferindustrie plus Fahrzeugindustrie), zeigt sich anhand der folgenden Zahlen: Gemeinsam erwirtschaften diese Unternehmen mit Automotiven Produkten und Dienstleistungen einen Umsatz von rd. 15,7 Mrd. Euro, die über indirekte und induzierte Effekte insgesamt 26,3 Mrd. Euro an Umsätzen in Österreichs Wirtschaft initiieren. Darüber hinaus werden 108.400 Arbeitsplätze in der heimischen Volkswirtschaft durch oberösterreichische Unternehmen der Automotiven Industrie abgesichert, davon 65.000 in Oberösterreich. Direkt in diesen Unternehmen sind rund 38.600 Menschen beschäftigt.
Für all diese Unternehmen und den gesamten Standort mit zig Tausenden Beschäftigten ist eine professionelle und vorausschauende Energie- und Klimapolitik von allergrößter Bedeutung. „Der Preis für CO2-Emissionen, der sich in den letzten Monaten auf mittlerweile über 80 Euro vervielfacht hat und damit auch die Stromkosten in die Höhe treibt, trifft ausschließlich europäische Unternehmen, nicht jedoch deren Konkurrenz überall sonst in der Welt. Die Dramatik der aktuellen Energiepreiskrise ist nur ein erstes Warnsignal, welche negativen Folgen für Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort eine nicht umfassend durchdachte Transformation unseres Energiesystems haben wird. „Die Industrie kann diese Transformation bewältigen – dazu braucht es aber wettbewerbsfähige Energiepreise und eine ausgebaute Energieinfrastruktur“, so Greiner.
„Es braucht JETZT eine Strompreiskompensation für die Unternehmen und rasch eine wirkungsvolle Energiestrategie, wie wir den massiven Abfluss von Arbeitsplätzen in der Industrie in den nächsten Jahren verhindern können. Klimaschutz muss auch ein volkswirtschaftlicher Erfolg für unser Land sein, der den Wohlstand aller Bürger erhöht und nicht senkt. Die Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung benötigt weniger Ideologie und mehr Dynamik, sonst sind die sehr ambitionierten Ziele niemals erreichbar und die negativen wirtschaftlichen Folgen am Standort immens“, betont Greiner abschließend.