Konjunkturumfrage

Konjunkturbarometer: Comeback der Zuversicht gelingt nur mit kraftvoller Industriepolitik

IV-GS Neumayer & IV-Chefökonom Helmenstein: Konjunkturelle Talsohle womöglich in Sicht – Kurzfristige gezielte Impulse und strukturelle Reformen erforderlich für echten Aufschwung

24.4.2025

Die schon drei Jahre anhaltende Talfahrt der österreichischen Wirtschaft und Industrie dürfte sich ihrem unteren Wendepunkt nähern. Jedoch wäre es verfrüht, auch nur einen Hauch von Frühjahrserholung zu erkennen. Zwar verbessert sich erstmals seit 18 Quartalen (!) die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage, aber zentrale Indikatoren wie die Produktionserwartungen verharren noch in negativem Territorium. Zudem sind seit der Erhebungsperiode zusätzliche handelspolitische Risiken aufgekommen, welche eine Trendumkehr wieder zunichtemachen könnten.

Das IV-Konjunkturbarometer steigt auf +1,8 Punkte – und liegt damit zum ersten Mal seit Mitte 2023 wieder über der Nulllinie. „Doch eines muss uns allen klar sein: Ein so dringend gewünschtes Comeback der Zuversicht braucht eine reale Grundlage. Zwar verbessert sich die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage, aber die Lage bleibt – nicht zuletzt durch die neue, radikale Zollpolitik der USA – fragil. Die Anzahl der pessimistischen Unternehmen wird weniger, die Optimisten werden aber kaum mehr. Die aktuellen Ergebnisse der IV-Konjunkturumfrage sind daher keinesfalls als Freibrief fürs Nichtstun – im Sinne von „Es wird sich schon von selbst bessern“ – zu verstehen, sondern ein klarer Auftrag an die Politik, rasch zu handeln, um das zarte Pflänzchen der Stabilisierung zu schützen und zu stärken“, so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung.

„Mit dem Vorzeichenwechsel beim IV-Konjunkturbarometer verzeichnen wir ein statistisches Lebenszeichen der Industrie, für einen Aufschwung braucht es jedoch einen wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag bei der Belastung der Unternehmen. Die Talsohle ist in Sicht – aber ohne gezielte Impulse wird die Rezession lediglich von einer prolongierten konjunkturellen Seitwärtsbewegung abgelöst werden. Es bedarf eines Zusammenspiels aus Strukturreformen, Investitionsanreizen und neuen außenwirtschaftlichen Beziehungen, um auf einen Wachstumspfad zurückzukehren“, betont Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung.

Besonders vor dem Hintergrund schon eingetretener und noch zunehmender Zollkalamitäten im transatlantischen Handel ist zu berücksichtigen, dass angesichts hoher Risiken für die exportorientierte Industrie der Handlungsimperativ für die nationalen und europäischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger hoch bleibt, strategisch gegenzusteuern. Es braucht jetzt mehr denn je ein industriepolitisches Programm, das die Standortresilienz untermauert, unternehmerisches Vertrauen stärkt und internationale Aktionsräume ausbaut.

Das Konjunkturbarometer zeigt deutlich: „Der Umstand, dass der Anteil der Pessimisten, die ins neutrale Lager wechseln zunimmt, ist ein typisches Frühsignal für eine bevorstehende Trendwende. Für tragfähigen Optimismus braucht es kurzfristig Maßnahmen wie beschleunigte Abschreibungen, welche die Zuversicht und damit die Investitionen zurückbringen, wie sie ansatzweise in Deutschland vorgesehen sind“, fordert Neumayer und führt weiter aus: „Mittelfristig braucht es eine mutige österreichische Industriestrategie, die Kosten für Arbeit, Energie und Bürokratie senkt, budgetäre Spielräume für Strukturreformen schafft und Möglichkeiten gibt, in Zukunftstechnologien zu investieren – und vor allem neue Partnerschaften und Handelsbeziehungen aktiv gestaltet. Nur so lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft absichern und der Weg aus der industriellen Stagnation nachhaltig gestalten.“

Die Ergebnisse der aktuellen IV-Konjunkturumfrage

  • Geschäftslage aktuell: Der Saldo bleibt noch in negativem Terrain, steigt aber auf -4 Punkte.
  • Geschäftslage in sechs Monaten: Die Erwartungen legen auf +7 Punkte zu, der Pessimismus geht spürbar zurück.
  • IV-Konjunkturbarometer: Mit +1,8 Punkten dreht der Wert wieder in den positiven Bereich – die Talsohle ist womöglich in Sicht.
  • Gesamtauftragsbestand: Der Saldo verbessert sich deutlich auf -1 Punkt, der Rückgang flacht spürbar ab.
  • Auslandsaufträge: Auch international gibt es eine leichte Entspannung – der Saldo stellt sich ebenfalls auf -1 Punkt.
  • Produktionserwartungen: Mit einem Wert von -5 Punkten schrumpft die Industrie langsamer, aber weiterhin leicht.
  • Beschäftigungsaussichten: Trotz Verbesserung auf -13 Punkte muss über ein Fünftel der Betriebe weiterhin Beschäftigung abbauen.
  • Erzeugerpreise: Der Saldo steigt auf +8 Punkte, der Kostendruck bleibt hoch.
  • Ertragslage & -erwartungen: Die aktuelle Lage bleibt mit -23 Punkten äußerst angespannt, es zeichnet sich mit +6 Punkten eine geringfügige Verbesserung ab.

Die Ergebnisse im Detail

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen zeigt nach 18 (!) Quartalen erste Anzeichen einer Stabilisierung. Der aktuelle Saldo verbessert sich auf -4 Punkte, nachdem er im Vorquartal noch bei -15 Punkten lag. Auch wenn das Stimmungsbild weiterhin negativ bleibt, deutet dieser Anstieg darauf hin, dass die Talsohle in Reichweite kommt.

Die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten verbessert sich ebenfalls und stellt sich auf einen Saldo von +7 Punkten. Damit ist eine Rückkehr in den leicht positiven Bereich zu verzeichnen. Dieser ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Respondentinnen und Respondenten, die eine weitere Verschlechterung erwarten, um ein Drittel abnimmt. Derzeit erwarten 17 % der Unternehmen auf Sicht des nächsten Halbjahres eine günstigere Geschäftsentwicklung, während 10 % mit einer Verschlechterung rechnen. Eine deutliche Mehrheit – 73 % – sieht sich vor eine unverändert schwierige Lage gestellt.

Das IV-Konjunkturbarometer, berechnet als gewichteter Mittelwert aus der gegenwärtigen Geschäftslage und den Erwartungen in sechs Monaten, stellt sich damit aktuell auf +1,8 Punkte. Der Konjunkturhorizont hellt sich jedoch leicht auf, und die Industrie beginnt, parallel zum Krisenmodus wieder Positivakzente vorzubereiten.

Mit einem Saldo von -1 Punkt verzeichnet der Indikator der Gesamtauftragsbestände in der Industrie einen sprunghaften Anstieg gegenüber dem Vorquartal (-18 Punkte) aus dem tiefroten in den neutralen Bereich. Dementsprechend ist der Verlust an Auftragsreichweite nach langer Durststrecke nahezu zum Stillstand gekommen, was für die Sicherung des Fortbestandes der inländischen Produktionsstätten von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.

Bei der Subkomponente der Auslandsaufträge zeigt sich eine Aufwärtsbewegung in analoger Weise, wenngleich hier die Verbesserung des Saldos, welcher von -13 Punkten auf -1 Punkt anzieht, deutlich geringer ausfällt. Dennoch bleibt die Situation enorm herausfordernd. Die österreichische Industrie verliert international weiterhin Marktanteile und tut sich enorm schwer, am globalen Realwachstum – das 2025 gemäß IWF bei knapp 3 %, exakt 2,8 %, liegen soll – in nennenswertem Ausmaß zu partizipieren. Zusätzlich wird die Exportdynamik in der österreichischen Industrie in den kommenden Monaten durch die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um über 6 % binnen Jahresfrist belastet, abgesehen von den derzeit nicht belastbar abschätzbaren Folgen handelspolitischer Wirren.

Angesichts des weiterhin angespannten Konjunkturbildes und der nach wie vor unzureichenden Auftragslage bleiben die kurzfristigen Produktionserwartungen in der Industrie negativ. Der saisonbereinigte Saldo liegt nun bei -5 Punkten – nach zuvor -8 Punkten. Das bedeutet: Die Industrie schrumpft zwar langsamer, aber sie schrumpft weiterhin. Eine Trendwende in Richtung Produktionsausweitung ist damit noch nicht in Sicht – doch das Tempo des Rückgangs hat sich spürbar verlangsamt.

Die anhaltend gedämpften Produktionserwartungen schlagen weiterhin auf die Beschäftigungsaussichten in der Industrie durch. Der Beschäftigungssaldo verbessert sich zwar auf -13 Punkte (nach zuvor -31 Punkten), bleibt aber negativ. Hinter diesem Wert verbirgt sich eine nach wie vor schwache Einstellungsdynamik in Verbindung mit Echoeffekten und, damit einhergehend, ein anhaltender Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Industrie. Nach wie vor ist mehr als ein Fünftel – 22 % - der Unternehmen angehalten, den Beschäftigtenstand zu reduzieren, während nur jedes elfte Unternehmen derzeit zusätzliche Beschäftigte sucht.

Trotz der im Durchschnitt weiterhin unzureichenden Auslastung der Produktionskapazitäten bleibt der hohe Kostendruck aufrecht, daher legen die Erwartungen bezüglich der Verkaufspreise wieder zu. Der Saldo steigt von -2 auf +8 Punkte.

Die Vielzahl an konjunkturellen und strukturellen Belastungen schlägt sich nach wie vor in der aktuellen Ertragslage der Unternehmen nieder. Der Saldo verharrt nahezu unverändert bei -23 Punkten (nach zuvor -24) im negativen Bereich. Die Ertragserwartungen auf Sicht von sechs Monaten drehen hingegen erstmals seit 13 Quartalen ins Positive – der Saldo stellt sich auf +6 Punkte. Diese Verbesserung ist jedoch nahezu ausschließlich darauf zurückzuführen, dass sich der Anteil der Unternehmen, die eine (noch weitere) Verschlechterung ihrer Ertragslage erwarten, gegenüber dem Vorquartal halbiert. Eine Trendwende hin zu einer Verbesserung der Ertragslage ist nicht auszumachen.

Die Hoffnung auf eine Stabilisierung beginnt vorsichtig zu keimen, und damit die Erwartung, dass die Talsohle der Rezession in der Industrie im Laufe dieses Jahres erreicht werden wird, sofern zeitnah die richtigen Schritte gesetzt werden. Allerdings dämpfen geopolitische und außenwirtschaftliche Unsicherheiten eine allfällige Erholungsperspektive erheblich.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 382 Unternehmen mit rund 269.900 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.