Österreichist zu teuer geworden

Nach mehreren starken Jahren für viele Betriebe muss der Gürtel wieder enger geschnalltund die Effizienz gesteigert werden. Das ergab ein Rundruf der IV-OÖ unter zahlreichenLeitbetriebenaus verschiedenen Branchen der oberösterreichischen Industrie.

Einigkeit herrschte über die Tatsache, dass die Konjunktur sich breitflächig abkühlt und die Märkte rückläufig sind. Die Unsicherheit nimmt zu, obwohl einige Unternehmen immer noch über solide Auftragsbestände verfügen. Eine ökonomische Abkühlung ist angesichts der zyklischen Natur der Wirtschaft für viele Unternehmer die logische Folge nach den zuletzt starken Jahren; dennoch offenbarte der Rundruf auch ein vielschichtiges Bild der verschiedenen Branchen: Während einige, wie die Flugzeugindustrie und die Enabler der Digitalisierung, weiterhin wachsen, entwickeln sich andere, wie der Bau, Maschinenbau oder die Textilindustrie, rückläufig.

Kurzfristige Sorgen – langfristige Hoffnung

Besorgniserregend ist für die meisten Leitbetriebe die Schwäche wichtiger Märkte wie Deutschland und China. Die Frage steht im Raum, ob Deutschland wieder zum „kranken Mann Europas“ wird, wie es in den 2000ern der Fall war. Dass Österreich in den kommenden Monaten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zu verkraften hat, war allen Befragten klar; diskutiert wurde lediglich, ob eine sanfte Landung möglich sein wird oder man sich auf einen harten Aufschlag gefasst machen muss. Als wichtigster Faktor wurde dabei die Zinspolitik der EZB (und deren Auswirkungen auf die Inflation) genannt. Zudem äußerten einige Leitbetriebe ihre Hoffnung auf einen Aufschwung im zweiten Halbjahr 2024. Der konjunkturelle Abschwung wird jedoch nicht zu großen Änderungen am heimischen Arbeitsmarkt führen, die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften bleibt hoch. Angesichts dieser Ausgangslage werden die bevorstehenden Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst mit großer Sorge erwartet. Betont wurde auch die Notwendigkeit eines mehrjährigen Programms in Zusammenarbeit von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Bundesregierung. Hauptprofiteur jeder Lohnerhöhung ist der Staat aufgrund der daraus resultierenden zusätzlichen Steuereinnahmen – der Faktor Arbeit müsse deshalb steuerlich entlastet werden, weil der Industriestandort Österreich schon jetzt zu teuer ist, insbesondere im Vergleich zu Deutschland oder den Niederlanden. Die Ergebnisse einer Umfrage während der Ordentlichen Vollversammlung bestätigen diesen Eindruck: 97 Prozent der Befragten schätzten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa schlechter ein als jene der USA und Chinas.

Foto: IV OÖ


Gesellschaftlicher Wandel nötig

Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit müssen jedoch einhergehen mit einem gesellschaftlichen Wandel. Betont wurde im Rundruf die Wichtigkeit von Eigenverantwortung sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer; man sprach sich gegen einen „Nanny-Staat“ aus. Auch das Bewusstsein für die Bedeutung industrieller Wertschöpfung für den Wohlstand in Österreich müsse wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung rücken, genauso wie Industriepolitik wieder in den Fokus der Politik rücken müsse. Das gelte sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland und Österreich. Insgesamt zeigte der Rundruf ein klares Bild der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen. Nur eine koordinierte Anstrengung von Unternehmen, Arbeitnehmern und der Politik kann die Wirtschaft auf Kurs halten und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sichern.