Der Einmarsch Russlands in der Ukraine stürzte die Energiemärkte weltweit ins Chaos, innerhalb kürzester Zeit explodierten die Preise, vor allem in Europa. Welche langfristigen Folgen sich daraus für den Industriestandort Oberösterreich ergeben, untersuchten Forscherinnen und Forscher des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria im Auftrag der Industriellenvereinigung Oberösterreich.
Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, dass Europa als Nettoimporteur von Energie sehr verwundbar ist und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stark im Zusammenhang mit Energieimporten steht. Höhere Preise waren allerdings schon lange davor die Norm: Zwischen 2006 und 2021 waren die Erdgaspreise in Europa um bis zu 100 Prozent höher als in den USA; seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ging der Spread aber noch weiter auseinander und es ist kein Ende in Sicht. Die letzten verfügbaren „Quotes“ für Ende 2033 gehen von einem Preis für eine Megawattstunde (MWh) Erdgas von knapp 36 Euro in Europa und 14 Euro in den USA aus.
Aber nicht nur im Vergleich zu Mitbewerbern in den USA oder Asien verliert Österreich an Wettbewerbsfähigkeit, auch innerhalb Europas gehören Österreichs Strompreise trotz des hohen Anteils an erneuerbarer Energie am Strommix zu den höchsten. Besonders deutlich fällt der Unterschied zu Spanien oder Skandinavien aus, aber auch der Abstand zum Nachbarland Deutschland ist aufgrund der Strompreiszonentrennung erheblich.
Als Ursache für die innereuropäischen Unterschiede identifizieren die Studienautoren neben verschiedenen Reaktionen der EU-Staaten auf die Energiekrise – Stichwort „iberisches Modell“ – die weiterhin große Bedeutung von Erdgas für Österreichs Stromerzeugung. Zwar spielt auch die Wasserkraft eine wichtige Rolle im österreichischen Strommix (rund 60 Prozent in der Jahresbetrachtung), aber vor allem in den Wintermonaten stammt ein erheblicher Anteil der erzeugten elektrischen Energie aus Erdgas. Im November 2022 waren es beispielsweise beinahe 33 Prozent.
Für Oberösterreich entsteht so eine Situation, die den Standort doppelt belastet: Erstens ist das Bundesland besonders stark von Energieimporten abhängig – bei einer Primärproduktion von rund 106.000 Terajoule (TJ) verbrauchte Oberösterreich 349.000 TJ. Zweitens sind die heimischen Betriebe besonders energieintensiv: Für eine Million Euro an Wertschöpfung werden in Oberösterreich 4,99 TJ Energie benötigt, das ist der zweithöchste Wert in ganz Österreich. Ursache dafür ist jedoch nicht der verschwenderische Umgang mit Energie, sondern die vielen grundstofferzeugenden Industriebetriebe in Oberösterreich sind es: „Die Hersteller von Grundstoffen sind nicht nur besonders energieintensiv, sondern auch besonders wertvoll für den Industriestandort. Dort, wo qualitativ hochwertige Materialien verfügbar sind, entstehen auch jene Unternehmen, die daraus innovative Produkte erzeugen“, erklärt Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV-OÖ.
Zudem sind Oberösterreichs Industriebetriebe Vorreiter in Sachen Effizienz, wie Daten der Studie belegen: Während der Energieverbrauch in Oberösterreich zwischen 2000 und 2021 um 18,3 Prozent gestiegen ist, konnte das Bruttoregionalprodukt um 37 Prozent gesteigert werden. Die CO2- Emissionen sind mit rund 22 Millionen Tonnen sogar auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2000 und damit vom wirtschaftlichen Wachstum entkoppelt.
Oberösterreichs Industrie spielt also eine besondere Rolle im industriellen Ökosystem Österreichs, ist aber gleichzeitig überdurchschnittlich stark von erhöhten Energiepreisen betroffen. Bei den aktuellen Markterwartungen im Hinblick auf die Erdgas- und Strompreise gehen die Autoren der Untersuchung davon aus, dass das regionale Bruttoregionalprodukt mittelfristig um 2,3 Prozent niedriger ausfallen wird als ohne Energiekrise – die Investitionen werden sogar um knapp zwölf Prozent niedriger ausfallen.
Um den auf höhere Energiekosten zurückzuführenden Verlust an globaler Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen, fordern die Studienautoren eine umfassende Strategie, die eine wettbewerbsfähige Energieversorgung in Europa gewährleistet. Mögliche Maßnahmen wären eine Entkopplung von Strom und Gaspreisen, eine Anpassung der Strompreiszonen in Europa, geringere Abgaben sowie die Förderung von Innovationen und Investitionen in den Industrieunternehmen. Zusätzlich müsse die zur Transformation der Energieversorgung nötige Infrastruktur geschaffen und verlässliche Importquellen etabliert werden. Die Ergebnisse der Studie im Detail stellt Eco-Austria-Direktorin Prof. Dr. Monika Köppl-Turyna am 16. Oktober im Haus der Industrie in Linz vor.