Ohne Gas keine Produktion

Die Gaskrise hängt wie ein Damoklesschwert über den Betrieben der OÖ. Industrie. Der Gasbedarf ist enorm, die Kostensteigerungen sind immens und die Umstiegsmöglichkeiten stark eingeschränkt – ein Stillstand hätte massive Folgen für die Grundversorgung der Bevölkerung.

Die Versorgung mit Gas ist für die heimische Industrie eine zentrale Standortfrage und hat entscheidende Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung in unserem Land. Die IV-OÖ führte aus diesem Grund im Sommer eine Blitzumfrage in der OÖ. Industrie durch, bei der neben Gasbedarf und Kostenanstieg auch die Möglichkeit eines Umstiegs auf andere Energieträger ermittelt wurde. Dabei meldeten insgesamt 60 Betriebe, die Gas im Produktionsprozess und zu Heizungszwecken einsetzen, einen Gesamtgasverbrauch von knapp 15.000 Gigawattstunden (GWh) Jahresverbrauch zurück. Mehr als 90 Prozent der Gasmenge entfällt dabei auf wenige, besonders energieintensive Betriebe aus Metallindustrie, Chemieindustrie, Papierindustrie sowie Nahrungsmittel- und Bauindustrie. Zusätzlich zu energieintensiven Industrien kommt eine breite Palette an Betrieben aus unterschiedlichsten Branchen jeweils auf einen jährlichen Gasverbrauch von fünf bis 40 GWh, was im Durchschnitt dem Gasverbrauch von 1.000 Haushalten entspricht.

Sehr breit gestreut ist demnach die aktuelle Betroffenheit von den stark gestiegenen Gaspreisen. „Während einige Betriebe in diesem Jahr aufgrund langfristiger Verträge und Preisabsicherungen noch mehr oder weniger unveränderte Gaskosten vorfinden, schlagen bei vielen Unternehmen Kostensteigerungen von 200 bis 500 Prozent und darüber bereits voll durch“, erklärt IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch.

Gas nicht überall ersetzbar

Eine zumindest teilweise Umstellung auf andere Energieträger ist kurzfristig nicht möglich. In sechs bis zwölf Monaten könnte theoretisch ein gewisser Teil des Gasverbrauchs – im Schnitt zwischen 30 und 70 Prozent – bei sechs von zehn Firmen ersetzt werden. Produktionstechnische Gründen, fehlende Infrastruktur oder auch die eingeschränkte Verfügbarkeit von alternativen Brennstoffen in ausreichender Menge machen dies jedoch vor allem für Großverbraucher schwierig. „Am einfachsten ist jenes Gas ersetzbar, welches zu Heizzwecken eingesetzt wird“, interpretiert Haindl-Grutsch die Ergebnisse der Blitzumfrage. Am häufigsten würden Heizöl und elektrischer Strom als Alternativen genannt, weitere Umstiegsmöglichkeiten würden bei Biomasse und Biogas, Flüssiggas, Wärmepumpen oder dem Zugang zu Fernwärme gesehen. „Damit verbunden sind jedoch hohe Umstellungskosten und erhöhte Emissionen“, so der IV-OÖ-Geschäftsführer. Voraussetzung sei eine behördliche Genehmigung: „Zusätzlich stellt die lange Zeitdauer der Umrüstungen ein eminentes Problem dar.“

IV OÖ-Geschäftsführer DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch
Foto: IV OÖ/Eric Krügl

Ein Zurückfahren von Produktionsprozessen oder das Aussetzen der Herstellung von Produkten würde zu vielfältigen Rissen in den Lieferketten führen!


Eingeschränkter Teilbetrieb möglich

Sollte es kommenden Winter aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Gas zu Produktionseinschränkungen kommen müssen, ist laut Umfrage bei zwei Dritteln aller Betriebe nach einigen Wochen Vorlaufzeit zumindest ein eingeschränkter Teilbetrieb möglich. In diesem Fall wären eine Produktportfolio- und Mengenanpassung zwingend erforderlich. Ein kompletter Stillstand würde jedoch viele Anlagen gefährden und hätte massive Folgen. Durch Abschaltung von Rauchgasreinigungsanlagen könnten deutliche Einsparungen erzielt werden, die jedoch mit wesentlich höheren Emissionen verbunden wären. „Völlig unklar ist, ob aufgrund der hoch wahrscheinlichen Risse in den Lieferketten trotz Gasverfügbarkeit überhaupt noch produziert werden könnte“, betont Haindl-Grutsch.

Den weitreichenden Auswirkungen steht entgegen, dass die eigenständige Einspeicherung von Gasmengen nur einem kleinen Teil der Betriebe möglich ist: Lediglich fünf Prozent der befragten Unternehmen speichern aktuell selber Gas ein, weitere 17 Prozent prüfen die Option. Für drei Viertel der Betriebe besteht gar keine Möglichkeit der Eigenvorsorge.

Stillstand brächte sozialen Notstand

Besonders ernst zu nehmen ist von der Politik die Tatsache, dass 50 Prozent der Betriebe unabhängig von der jeweiligen Höhe des Gasbedarfs Teil der Wertschöpfungskette zur Grundversorgung der Bevölkerung sind. „Ein Ausfall würde die Nahrungsmittelproduktion und -verpackung, die Landwirtschaft, die Energieversorgung inklusive der Fernwärmeerzeugung, den öffentlichen Verkehr, die Müllentsorgung und Tierkörperverwertung, die Medikamentenproduktion und -logistik sowie die Medizintechnik, die Instandhaltung von zentralen Großanlagen wie Raffinerien, Chemieanlagen und Kraftwerken und Leitungsnetzen und auch den Bau massiv einschränken. Ein sozialer Notstand wäre die unmittelbare Folge“, betont Haindl-Grutsch abschließend.