Warum länger arbeitennotwendig ist!

Der Vorschlag der Industriellenvereinigung zur Verlängerung der Arbeitszeitauf 41 Stunden pro Woche führte zu intensiven Diskussionen rund um den Tagder Arbeit am 1. Mai.

Während die einen von „Verrücktheit“ sprechen, sehen andere eine bewusste Gegenposition zur latenten Arbeitszeitverkürzungsdiskussion (Stichwort 32 Stunden) und einen gelungenen PR-Coup der IV. Medial dominiert vielfach die Meinung, man könne eine Arbeitszeitverlängerung in der heutigen Work-Life-Balance-Zeit nicht mehr fordern, weil man damit sogar die willigen Vollzeitarbeitskräfte demotiviere – völlig vernachlässigt wird in der Diskussion aber der wahre Hintergrund der 41-h-Forderung, nämlich dass die Welt, wie wir sie in Europa und Österreich in den letzten 30 Jahren kannten, zu Ende ist und ohne Maßnahmen eine veritable Standortkrise droht.

Rückblickend verfügte Europa in den letzten Jahrzehnten über außergewöhnlich vorteilhafte Rahmenbedingungen, die nun ein abruptes Ende gefunden haben: Die USA wollen erstens Europa nicht mehr militärisch verteidigen und haben den lange verfolgten falschen Weg einer Dienstleistungsgesellschaft mit ausgelagerten Werkbänken wieder verlassen und eine Reindustrialisierung, beschleunigt durch das IRA-Gesetz, in Gang gesetzt. Zweitens bekommt Europa keine billige Energie mehr aus Russland und muss gleichzeitig den sehr teuren Weg der Diversifizierung samt grüner Transformation seiner Energieversorgung umsetzen. Drittens profitierte die europäische Industrie vom dynamischen Wachstum von China; der Export nach Asien boomte. Doch die Flussrichtung dreht sich gerade um: Chinas Industrie ist enorm wettbewerbsfähig (gleiche Qualität und Produktivität bei geringeren Kosten) und verfügt über Überkapazitäten, die jetzt nach Europa exportiert werden.

Europa verfügt also weder über die Fähigkeit, sich selbst militärisch verteidigen zu können (und muss diese jetzt teuer
aufbauen), ist abhängig von (grünen) Energieimporten und verliert gerade die weltweite industrielle Führerschaft und damit das Erfolgsmodell Export. Führend ist Europa noch darin, dem Rest der Welt unsere europäischen Werte und Moralvorstellungen übertragen zu wollen (Stichwort Lieferkettengesetz), wodurch wir uns zum Stillstand regulieren.
Exemplarisch zeigt sich das bei der künstlichen Intelligenz, die Amerika entwickelt und zum Geschäft macht, während Europa sie bürokratisiert.

Wäre das nicht schon genug, stellt sich die Situation für den Standort Österreich nochmals kritischer dar. Der Hauptgrund
ist die Inflation, die die höchste in Westeuropa ist und dazu führt, dass die Personalkosten in den letzten zwei Jahren
explodiert sind. Weil die Produktivität nicht entsprechend mitsteigt, steigen auch die Lohnstückkosten kräftig. Selbst
wenn sich die aktuellen konjunkturellen Probleme auflösen werden: Die strukturellen Probleme des Standorts Österreich
verschwinden damit nicht. Der Kostenrucksack bleibt und kann nur durch umfassende Steuer- und Lohnnebenkostensenkungen wieder etwas an Gewicht verlieren.

Zusätzlich ergeben sich bei der Arbeitszeit in Österreich zwei weitere Baustellen: Erstens lohnt sich Leistung nicht.
Wer rechnen kann, arbeitet in Österreich Teilzeit, weil mehr zu arbeiten steuerlich bestraft wird – bei einer Erhöhung
der Arbeitszeit um 50 % von 20 auf 30 Stunden bleiben dem Mitarbeiter netto nur 29 % mehr, bei 100 %, von 20 auf 40 Stunden, nur 61 % mehr. Vollzeit arbeiten also nur jene, die es aus finanziellen Gründen müssen. Mit jeder Lohnrunde und Steuerreform werden niedrige Einkommen (und damit alle Teilzeitbeschäftigten) stärker entlastet, wodurch die Steuerprogression noch steiler und Vollzeit noch unattraktiver wird. Österreich wurde zur Teilzeit-Republik. Die IV hat dazu ein „Leistung muss sich lohnen“-Paket mit Anreizen für mehr Vollzeit, Überstunden und Arbeit im Alter vorgelegt – erst wenig davon wurde von der Bundesregierung umgesetzt.

Die zweite Baustelle ist die generelle Arbeitszeit. Trotz Bevölkerungswachstums in Österreich sinkt das geleistete Arbeitsvolumen. Die Jahresarbeitszeit sinkt weiter auf nur mehr 1448 Stunden – immer mehr Beschäftigte (deswegen auch Rekordbeschäftigung und niedrige Arbeitslosenquote) arbeiten immer kürzer. In allen unseren Nachbarstaaten wird länger gearbeitet, gar nicht zu reden von Ländern wie USA, China oder Indien. Österreich ist nicht mehr um das besser, was es teurer ist. In der Schweiz wurde die Arbeitszeit vor Jahren erhöht, weil durch den starken Franken die Wettbewerbsfähigkeit gesunken ist. Durchschnittlich arbeitet die Schweiz in Vollzeit 42,7 Stunden pro Woche und damit fünf Stunden länger als Österreich.

Der zukünftige Wohlstand in Europa und Österreich hängt also an einem seidenen Faden. Die Erfolgsfaktoren der Vergangenheit haben sich relativiert. Die Deindustrialisierung ist im Gange, Arbeitsplätze und Investitionen fließen ins Ausland ab. Österreich braucht ein Standortreparaturpaket, welches steuerliche Entlastungen, Leistungsanreize, weniger Bürokratie und die Stärkung unserer Stärken (Lehre, HTL, Forschungsförderung) beinhaltet. „Mehr arbeiten, weil es notwendig ist!“, lautet das Motto. Es ist besser, 41 Stunden zu arbeiten, als keinen Arbeitsplatz zu haben. Es nicht zu tun würde Arbeitsplatzvernichtung bedeuten.