Realismus, Technologie und Markt

Wie die grüne Transformation gelingen kann, diskutierten AMAG-CEO Gerald Mayer, Leonhard Schitter, Vorstandsvorsitzender der Energie AG, und IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Industrie im Dialog“.

Eine Voraussetzung für das Gelingen der grünen Transformation hat sich laut IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch nach einem Jahr der Energiekrise bei einem Großteil der Bevölkerung eingestellt: das Bewusstsein dafür, wie komplex die Energieversorgung für unser Land ist. Dennoch sei die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wahrheit in der österreichischen Energie- und Klimapolitik weiterhin enorm. Mit Populismus sei die Mammutaufgabe der grünen Transformation aber nicht zu schaffen, sondern nur mit Realismus, Technologie und marktwirtschaftlichen Prinzipien. Global gesehen würden schließlich erst 15 Prozent des Primärenergiebedarfs mit erneuerbaren Energieträgern abgedeckt, die EU liegt bei 18 Prozent; Österreich kommt dank ausgebauter Wasserkraft immerhin auf 34 Prozent. Fossile Energieträger decken aktuell noch rund 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs ab, die restlichen fünf Prozent entfallen auf Atomenergie. Angesichts der anhaltenden globalen Dominanz fossiler Energieträger betont Haindl-Grutsch die Bedeutung eines effizienten Ressourceneinsatzes für das Gelingen der grünen Transformation: „Jede Tonne Beton, Stahl oder seltene Erden kann nur einmal verwendet werden. Man muss sie vorrangig dort einsetzen, wo sie den größten Effekt haben.“

Planungssicherheit notwendig

AMAG-CEO Gerald Mayer betonte, dass Wasserstoff nicht nur als Speichermedium eine zentrale Rolle spielen, sondern auch in einer Reihe industrieller Prozesse fossile Energieträger ersetzen werde. Die dafür nötigen Transformationsprozesse hätten gewaltige Investitionen zur Folge, am AMAG-Standort in Ranshofen z. B. einen höheren dreistelligen Millionenbetrag. „Unternehmen können solche Investitionsentscheidungen nur dann treffen, wenn Planungssicherheit herrscht“, stellte Mayer klar. Das beinhalte v. a. Signale, dass die benötigten Mengen an Strom und Wasserstoff sowie die dafür erforderliche Transportinfrastruktur verfügbar sein werden. Zudem brauche es geeignete Förderinstrumente, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Einer der wichtigsten Schritte sei, den European Green Deal mit dem Ziel der Steigerung der Kreislaufwirtschaft und anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie dem Abfallwirtschaftsgesetz zu synchronisieren. Weiters müssten die EU und Österreich die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext sicherstellen, da die Dekarbonisierungsambitionen in den einzelnen Weltregionen sehr unterschiedlich seien: Österreich will schon 2040 klimaneutral sein, die EU 2050, China erst 2060. „Es nützt weder der Umwelt noch dem Wirtschaftsstandort, wenn Europa zwar seine Klimaziele erreicht, dadurch aber seine Industrie verliert“, betonte Haindl-Grutsch. Österreich sei seit Jahren führend in der Nutzung erneuerbarer Energien und effizienter Fertigungsprozesse, die letzten Prozente seien aber immer die schwierigsten und teuersten. Jetzt dürfe man deshalb nicht den Fehler machen, sich selbst aus dem internationalen Wettbewerb zu nehmen. Als Beispiel nannte er das CO2-Grenzausgleichssystem CBAM: Dieses würde nachhaltig produzierende Betriebe zwar innerhalb des Binnenmarkts schützen, auf Drittmärkten blieben die Kostennachteile aber bestehen. 


Die Verfügbarkeit von grünem Strom und Wasserstoff sowie der Transportkapazitäten ist Voraussetzung für die grüne Transformation.


Foto: IV OÖ


Grüner Wasserstoff unverzichtbar

Für Leonhard Schitter, Vorstandsvorsitzender der Energie AG, steht fest, dass eine erfolgreiche Energiewende nur dann möglich ist, wenn alle bereits verfügbaren Technologien, ob marktreif oder im Entwicklungsstadium, vollständig ausgeschöpft werden – denn auch als Europameister im Bereich erneuerbarer Stromerzeugung stehe Österreich immer noch vor einer Herkulesaufgabe: Um wie von der Bundesregierung geplant bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern zu produzieren, benötige man zusätzliche Kapazitäten von 27 TWh, was ca. dem Jahresverbrauch Dänemarks entspricht. „In konkreten Maßnahmen ausgedrückt heißt das: alle drei Minuten eine Solaranlage auf ein Dach und alle zwei Jahre ein Wasserkraftwerk in der Größe von Freudenau“, präzisiert Schitter. Zudem reiche es nicht aus, nur die Energiewende in der Elektrizität zu vollziehen, es brauche genauso eine Wärmewende und eine Wende in der Mobilität. Die damit einhergehende Elektrifizierung ganzer Sektoren führe bis 2040 zu einer Steigerung des Gesamtstromverbrauchs in Österreich auf rund 140 TWh (im Jahr 2021 waren es rund 72 TWh). Für diese Menge an Strom brauche es nicht nur den raschen Ausbau von Netzen und erneuerbarer Erzeugung, sondern auch saisonale Speichersysteme. Unverzichtbar als Speichermedium sei jedenfalls grüner Wasserstoff – die dafür nötigen Mengen könne Österreich jedoch nicht selbst produzieren, man sei deshalb auch in der Zukunft auf Energieimporte angewiesen.