Der Staat kann nicht alle Krisen kompensieren

Im Haus der Industrie diskutierte eine hochkarätige Runde mit Finanzminister Magnus Brunner über Staatsschulden, überzogenes Anspruchsdenken seit der Coronapandemie und Anreize zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels.

In seiner Begrüßung sprach IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer von einer mittlerweile realistisch-optimistischen Einschätzung der Wirtschaftslage seitens Oberösterreichs Industrie. Man habe sich an die schwierigen Rahmenbedingungen angepasst; für die kommenden Monate erwartet Pierer eine anhaltend hohe Inflation, unter anderem getrieben von Sekundäreffekten durch Lohnerhöhungen im Dienstleistungsbereich. Die Energiepreise hätten sich zwar normalisiert, allerdings auf einem Level, das gegenüber anderen Weltregionen einen strategischen Nachteil darstelle. Das größte Problem bleibe allerdings der anhaltende Arbeitskräftemangel. Auch Finanzminister Magnus Brunner schätzte die wirtschaftliche Lage wieder optimistisch ein, nicht aber die Budgetsituation: Die Krisen der vergangenen Monate und Jahre hätten zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben geführt, pro Kopf sei Österreich in der EU hinter Luxemburg der Staat mit den höchsten Unterstützungsmaßnahmen. Was die Ausgestaltung der Hilfen betrifft, hat man laut Brunner zwar nicht alles, aber vieles richtig gemacht. Immerhin sei man mit einem Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent extrem gut aus der Coronakrise gestartet, die Hilfen hatten daran Anteil. Der deutsche „Doppelwumms“ habe Österreich unter Druck gesetzt, weil heimische Industriebetriebe ansonsten gegenüber deutschen Mitbewerbern benachteiligt gewesen wären. Treffsichere und strukturelle Maßnahmen, wie etwa die Senkung der Energieabgaben um 90 Prozent oder das Abschaffen der kalten Progression, hielt Brunner für das bessere Vorgehen, auch wenn diese Maßnahmen im aktuellen Umfeld nicht die Aufmerksamkeit erhalten hätten, die sie verdienen.

Ausgeglichenes Budget als Ziel

Insgesamt habe sich jedoch im Verlauf der letzten Krisen eine Anspruchshaltung auf Unterstützung entwickelt, die der Staat nicht aufrechterhalten könne. Der Staat könne nicht 100 Prozent aller Krisen kompensieren, sondern müsse wieder auf ausgeglichene Budgetpfade zurückkehren. Das muss laut Brunner sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene geschehen. Nur so könne man gewährleisten, dass man auf Bundes- und EU-Ebene handlungsfähig bleibe. Das gelte insbesondere für strategisch bedeutende Bereiche wie die grüne Transformation der Industrie. Diese Themen gelte es jetzt anzugehen und entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen; das dürfe aber nicht an der Lebensrealität der Menschen und Unternehmen vorbeigehen, der Umweltschutz solle nicht über alle anderen Staatsziele verfassungsmäßig priorisiert werden. Zudem komme das Thema Innovation in diesem Zusammenhang oft noch zu kurz, man müsse aber alle technologischen Möglichkeiten ausschöpfen – als Beispiel nannte Brunner das bis heute bestehende Verbot von Carbon Capture & Storage (CCS) in Österreich. Zur Bewältigung der Transformation brauche es zudem jeden einzelnen Menschen im Arbeitsleben, der verfügbar ist. Das Schaffen der richtigen Rahmenbedingungen dafür sei allerdings ein Thema, das keine Fehler erlaube, auch weil eine große Pensionsreform laut Brunner in nächster Zeit nicht umsetzbar sei. Es brauche vor allem Anreize für den Verbleib im Erwerbsleben, es müsse aber auch der Zuverdienst zur Eigenpension attraktiver werden, genauso wie das Leisten von Überstunden und der Umstieg von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit. All das werde bereits in der von der Regierung eingesetzten Arbeitsgruppe zur Mehrbeschäftigung bearbeitet. Man sei zuversichtlich, dass die Reformgruppe zu einer Einigung komme, betonte Brunner.