Vor allem mache der Vertrauensverlust und die mangelnde Konsumfreude der Bevölkerung nachdenklich. Gerade in dieser schwierigen Phase sei Zuversicht in die Zukunft essenziell; auch, um gleichzeitig ablaufende Transformationsprozesse bei Energie und Technologie bewältigen zu können. „Besonders kritisch ist auch die überbordende Bürokratie aus Brüssel, die die Wirtschaft in Grund und Boden reguliert“, so Gasselsberger weiter, die USA seien daher aktuell wesentlich besser und unabhängiger aufgestellt. Dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und gestiegenen Abhängigkeiten gegenüber den USA und China müsse eine „Europa-first-Politik“ entgegengesetzt werden. Mehr Eigenverantwortung sei notwendig, weil der Wohlstand auf Arbeit und Leistung beruhe und nur so der Sozialstaat garantiert bleibe. Vertrauen brauche eine glaubwürdige Bundesregierung und die Sanierung des Budgets. Entlastungen auf der Kostenseite seien essenziell, die Incentivierung der Teilzeitgesellschaft müsse gestoppt werden. 2025 könnte durch Zinssenkungen der EZB, Investitionen durch eine neue deutsche Regierung und vielleicht sogar ein Ende des Ukrainekriegs positiv überraschen.
IV-OÖ-Vizepräsident Thomas Bründl betonte, dass die Welt mit über drei Prozent 2024 durchaus robust gewachsen ist, es gab über 60 Länder mit mehr als vier Prozent Wachstum. Österreich hat sich durch enorme Kostensteigerungen bei Personal und Energie aus dem Markt gepreist; Europa müsse geeint auftreten und dürfe sich nicht zu Tode regulieren. Unternehmertum bedeute Risiko und ein Herausgehen aus der Komfortzone – Mut und Leistung müssen belohnt werden, weil sonst die Misserfolgsvermeidung im Mittelpunkt stehen.
Für Keynote-Speaker Karl Theodor zu Guttenberg, Deutschlands Wirtschafts und Verteidigungsminister a. D., befindet sich die Welt im Umbruch. Er verband das mit der Forderung an Europa, endlich zu handeln. Im „geopolitischen Dschungel“ sind nationalstaatliche Antworten jedoch keine Lösung. Er sah die Gefahr, dass in einem Konflikt zwischen den Großmächten USA und Russland Deutschland errieben werden könnte. Der heutige Berater der EU sieht aber den „Zug bei uns nicht abgefahren“ – er registriere angesichts von 500 Millionen EU-Bürgern ein Netz unzähliger Kraftfelder, wobei auch kleinere Länder wie Dänemark als Vorbild für die großen fungieren können. Guttenberg schloss seinen Vortrag mit dem Spruch: „Wenn das Wasser bis zum Hals steht, ist es nicht ratsam, den Kopf hängen zu lassen!“
Beim traditionellen „Talk@Raiffeisen“ der Industriellenvereinigung Oberösterreich und der Raiffeisen Landesbank OÖ beleuchtete eine hochkarätige Talkrunde bestehend aus WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr, Politikanalyst Thomas Hofer und IV-OÖ-Vizepräsident und voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner die aktuellen Herausforderungen für Wirtschaft und Politik.
Laut WIFO-Prognose wird Deutschland 2025 ein Wachstum von nur 0,4 Prozent aufweisen, Österreichs Industrie bleibt in der Rezession. Laut Felbermayr braucht Österreich einen Fünf-Jahres-Plan mit Bürokratieabbau, Budgetsanierung und einem Leistungspaket, um Arbeit wieder attraktiver zu machen.
Europa ist für die voestalpine der schwächste Markt, und innerhalb Europas ist Deutschland das Schlusslicht. Durch die breite Diversifizierung in Ländern und Branchen könne das Unternehmen die Schwäche der europäischen Entwicklung etwas kompensieren, betonte Herbert Eibensteiner – „in den USA produzieren wir lokal für den lokalen Markt, weil Lieferungen aus Europa unter den egebenen Umständen nicht mehr wirtschaftlich sind“.
Gleichzeitig kritisierte Eibensteiner die aufwendigen Regulierungen: „Die neuen EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung kosten uns allein 1,5 Millionen Euro an Personal für die Berichterstellung und Beratungsleistungen – ohne jegliche Wertschöpfung.“ Bürokratieabbau sei ein Muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie wiederherzustellen.
Die Kritik an der Energie- und Bürokratiepolitik unterstrich auch Thomas Hofer, der die politische Lähmung in Österreich anprangerte: „Ein schlechter Plan ist keine Option mehr, das bringt das Land keinen Schritt weiter.“ Die Aussage „It’s the economy, stupid“, bekannt geworden durch Bill Clinton, gilt für die USA nicht mehr: Trotz florierender Wirtschaft ist die Stimmung in den USA schlecht, eine Entkoppelung von den Zahlen und Fakten ist erfolgt; Emotionen und Stimmungsbilder prägen die Diskussion. Hofer spricht deswegen von einer „Emokratie“ statt einer Demokratie. Die zweite Präsidentschaft von Donald Trump erwartet er deutlich disruptiver, weil Trump nun wesentlich besser vorbereitet in diese zweite Amtszeit geht; der Druck auf Europa werde stark steigen. Die klare Botschaft der Experten: Ohne mutige Schritte und klare politische Weichenstellungen droht Österreich zunehmend den Anschluss zu verlieren.