Vollkasko-Staat – Österreich brauchtwieder mehr Wirtschaftsliberalismus

Im Rahmen einer „Industrie im Dialog“-Veranstaltung im Haus der Industrie in Linz mit dem Titel„Sozialistischer Vollkasko-Staat Österreich? Was macht die Schweiz besser?“ diskutierte IV-OÖ-GeschäftsführerJoachim Haindl-Grutsch mit Salinen-AG-CEO Peter Untersperger, Hanno Lorenz, dem stellvertretenden Direktor vonAgenda Austria, und Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca darüber, was Österreich von der Schweiz lernen kann undob es wieder mehr Wirtschaftsliberalismus statt noch mehr Staat geben muss.

Mit einer Staatsquote von deutlich über 50 Prozent und einer Steuer- und Abgabenquote von 43 Prozent ist Österreich eines der am stärksten umverteilenden Länder Europas und der Welt. Insbesondere seit der Coronakrise hat sich das Land noch stärker zur Transferrepublik und zum Vollkaskostaat entwickelt.

Univ.-Prof. Cocca präsentierte in seiner Keynote einen ökonomischen Vergleich Österreichs und der Schweiz. Obwohl
Österreich flächenmäßig doppelt so groß ist wie die Schweiz und annähernd gleich viele Einwohner zählt, ist das BIP pro
Kopf der Schweiz mit 778,1 Mrd. Euro fast doppelt so hoch wie jenes Österreichs mit 447,7 Mrd. Euro.

Mehr Produktivität in der Schweiz
Obwohl die Beschäftigten in der Schweiz im Durchschnitt deutlich höhere Löhne erhalten als in Österreich und obwohl die
Lebenserhaltungskosten in der Schweiz höher sind, bleibt den Schweizern ein Mehreinkommen übrig. Die Schweiz
schöpft ihr Arbeitskräftepotenzial mehr aus als Österreich: Die Schweizer arbeiten im Durchschnitt mehr und generieren pro
Arbeitsstunde eine höhere Wertschöpfung. Obwohl sich die durchschnittlich geleistete Zahl an Arbeitsstunden seit dem
Jahr 2000 in beiden Ländern reduziert hat (Schweiz rund neun Prozent, Österreich rund 14 Prozent), lässt sich klar sagen:
Die Schweizer sind fleißiger als die Österreicher, sie arbeiten mehr und effizienter. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für die
Schweiz liegt auch in ihren nachhaltigen Investitionen in Bildung und Forschung: Vergleicht man die ETH Zürich (ca. 22.000
Studenten) mit der Johannes Kepler Universität Linz (ca. 23.000 Studenten), so steht der ETH ein Gesamtbudget von 1,8
Mrd. CHF zur Verfügung, der JKU von nur 300 Mio. Euro. Die Unternehmensfreundlichkeit der Schweiz, geprägt von
einer stabilen Rechtsordnung und niedrigen Steuern, zieht internationale Investoren an und begünstigt die Gründung
und Entwicklung von Unternehmen. Die Schweiz hat bessere Rahmenbedingungen inklusive Krankenkassenkosten bei 30 Prozent (Österreich: 43 %) und einer Staatsverschuldung bei 40 Prozent (Österreich: 80 %). Im Zuge der direkten Demokratie
werden in der Schweiz Abstimmungen wie etwa zu sechs Wochen Urlaub, Erbschaftssteuern oder einem bedingungslosen
Grundeinkommen abgelehnt – finanzielle Stabilität stärkt das Vertrauen der Investoren und schafft ein günstiges Umfeld für
wirtschaftliches Wachstum. Die liberale politische Einstellung der Schweiz, die auf individuellen Freiheiten und einem
starken Gemeinwesen-Gedanken basiert, prägt die Wirtschaftspolitik maßgeblich.

Insgesamt stellen die Erfolge der Schweiz
das Resultat einer Kombination aus historischen Entwicklungen und aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen dar. Die Schweiz hat ihre Stärken in Bildung, Innovation, Arbeitsproduktivität und einer stabilen Finanzpolitik
gefunden. Der Vergleich verdeutlicht, dass der Wohlstand eines Landes nicht nur von historischen Gegebenheiten abhängt, sondern ganz wesentlich auch von klugen Entscheidungen, die in der Gegenwart getroffen werden.

Der stv. Direktor von Agenda Austria, Hanno Lorenz, betonte, dass aufgrund  der steigenden Teilzeitbeschäftigung in
Österreich die Produktivität sinke. Es fehle in Österreich das Bewusstsein, dass jede Aktion der Umverteilung auch eine
Reaktion auslöst; das Geld muss ja irgendwoher kommen.

Salinen-CEO Peter Untersperger kritisierte das geringe Bewusstsein in der Bevölkerung für die Themen Unternehmertum,
Wettbewerb und Markt. Das für Österreich typische Unternehmer-Bashing gebe es in der Schweiz nicht. Die Schweiz ist ein calvinistisches Land, dort zählen Arbeit und Leistung als Basis für den Wohlstand des Staats und auch für die finanzielle und wirtschaftliche Sicherheit des Individuums.

IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch betonte: „Es ist keine Gießkanne, sondern ein Feuerwehrschlauch, wie
in Österreich Umverteilung organisiert wird.“ Statt noch mehr Sozialtransfers brauche es vielmehr einen „Fahrstuhl nach
oben“, also Anreize für den eigenverantwortlichen Aufstieg zu beruflichem Erfolg und Wohlstand. Leistung muss belohnt
und nicht bestraft werden. „Wir brauchen wieder eine Chancengesellschaft statt einer Umverteilungsgesellschaft – ohne
Wettbewerb kein Wohlstand!“

Cocca betonte abschließend die Wirksamkeit einer Schuldenbremse, um den Ball von den Entscheidungsprozessen der Politik wegzunehmen. Die Schweizer Regierung zeigt, dass eine Schuldenbremse sehr wohl funktioniert, wenn man sie so ausgestaltet, dass sie hält und nicht selbst zum Spielball der Politik wird. Zur Wirtschaftsbildung an den Schulen kritisierte er, dass das wenige Wissen, das jetzt transportiert wird, an eine sehr wirtschaftsfeindliche Haltung gekoppelt sei. Und das sei noch wesentlich schädlicher als die Wissensfrage. Zukunft braucht Herkunft: Was Wohlstand ist und woher er kommt, müsse viel stärker erklärt werden.

Foto: IV OÖ