Industrie – Europa – Zukunft?

Nach einem ereignisreichen ersten Jahr zieht IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer eine erste Bilanz: Oberösterreichs Industrie steht vor großen Herausforderungen im internationalen Wettbewerb, Europa verliert immer mehr an Bedeutung. Oberösterreich braucht für den Aufstieg zu den europäischen Spitzenregionen konsequente Schritte bei Bildung, Arbeitsmarkt und Digitalisierung – und weiterhin Achtsamkeit beim Landeshaushalt.

In den letzten zwölf Monaten führten geopolitische Entwicklungen zu enormer Unsicherheit in einem besonders volatilen Umfeld. Oberösterreichs Industrie kam dank umfassender Anpassungsschritte gut durch die infolge des Ukrainekriegs ausgelöste Energiekrise, die Geschäftslage der Betriebe entwickelte sich trotz Rekordenergiepreisen positiver als erwartet. „Der aktuelle Ausblick bleibt verhalten, die nächsten Monate werden von wirtschaftlicher Stagnation geprägt sein“, betonte der Präsident der IV-OÖ, Stefan Pierer. Die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Oberösterreich gerät durch das veränderte Umfeld jedoch enorm unter Druck: Überdurchschnittlich hohe Inflation, stark gestiegene Energie- und Arbeitskosten und ein von Subventionen, Abschottung und Überregulierung geprägtes Umfeld führen zu einer zunehmenden Desintegration der Weltwirtschaft, die das heimische Erfolgsmodell Export infrage stellt. Zusätzlich werden Freihandel und Technologieoffenheit in Österreich nicht gefördert, sondern bekämpft.

Energie- und Klimapolitik: Realistisch, technologieoffen und marktwirtschaftlich

Die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wahrheit im öffentlichen Diskurs über energiepolitische Zahlen und Fakten ist in Österreich besonders ausgeprägt: Nur 15 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs stammen aktuell aus erneuerbaren Quellen, 80 Prozent von fossilen Energieträgern, fünf Prozent sind Atomenergie. Österreich liegt mit knapp 80 Prozent erneuerbarer Stromerzeugung im globalen Spitzenfeld, kann davon aber bei den Strompreisen aufgrund der Merit Order keinen Vorteil erzielen. Das sehr ambitionierte Ziel der heimischen Energiepolitik lautet 100 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bilanziell bis 2030. Elektrischer Strom deckt derzeit weltweit wie auch in Österreich nur ca. 20 Prozent des Endenergieverbrauchs ab; die Elektrifizierung von Mobilität, Industrie und des Wärmebereichs wird den erneuerbaren Strombedarf zusätzlich massiv erhöhen. Die Energiepreise in Europa bleiben nachhaltig um das Zwei- bis Dreifache über dem amerikanischen Niveau. Das führt zu einem schleichenden Verlust an Wertschöpfung der energieintensiven Industrie, weil Aufträge und Investitionen in andere Länder verlagert werden. Das geplante Lieferkettengesetz der EU wird diesen Trend weiter beschleunigen.

Entscheidend für einen globalen Erfolg der grünen Transformation sind vergleichbare Wettbewerbsbedingungen, die Carbon Leakage verhindern. Im globalen Wettbewerb Europa – USA – Asien sind diese in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, auch das Europäische CO2-Grenzausgleichssystem wird ein Level Playing Field nicht gewährleisten können. Deutschland nimmt als wichtigster Industriestandort in Europa mit Ausnahme des moralischen Zeigefingers für die Welt keine Vorreiterrolle ein, die Energie- und Klimapolitik unseres wichtigsten Partners ist desaströs – von einer verfehlten Erneuerbaren-Förderpolitik über die Abschaltung sicherer Atomkraftwerke und den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken bis zur aktuellen Wärmepumpendebatte. „Die grüne Transformation gelingt sicher nicht durch Märchenerzählen, Showpolitik oder Planwirtschaft, sondern nur durch Realismus, Technologieförderung und Marktwirtschaft. Wenn Gesellschaft und Wirtschaft dabei verlieren, stimmt der Weg nicht“, betonte Pierer. 

Foto: IV OÖ / Pelzl


Arbeitsmarkt: Ideologiefrei über neue Rahmenbedingungen reden

überdurchschnittlich hoch, die Arbeitskosten steigen stark. Die zentrale Kenngröße der Produktivität, die Lohnstückkosten, sind in Österreich deutlich stärker gestiegen als beispielsweise in Deutschland. Der Arbeitskräftemangel in OÖ ist österreichweit am höchsten und wird sich auch längerfristig aufgrund der demografischen Entwicklung nicht entschärfen. Die Verfügbarkeit von richtig qualifiziertem Personal ist die Achillesferse unseres Standorts.

Es ist höchste Zeit, ideologiefrei über die neuen Rahmenbedingungen unserer Arbeitswelt zu diskutieren. Qualifizierung auf betrieblicher Ebene, steuerliche Anreize für Mehrarbeit und die flexible Gestaltung der Arbeitszeit sind dazu die Schlüsselthemen. Gerade die beschlossene Arbeitszeitflexibilisierung im Jahr 2018 hat sich entgegen den Prognosen der Gegner als großer Erfolg erwiesen. Stillstand herrscht bis dato in der Bundesregierung beim Thema „Leistung muss sich (wieder) lohnen“, obwohl Anreize bei Überstunden, Vollzeitarbeit und dem Arbeiten in der Regelpension für das Frühjahr angekündigt waren. Die duale Ausbildung als einer der zentralen Standortvorteile Österreichs im internationalen Vergleich muss stärker forciert werden, eine Bildungsprämie analog zur Forschungsprämie würde unmittelbar Wirkung erzeugen.

Marxismus und „Degrowth“: Aus der Geschichte lernen

Alle Ideen von Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich über Vermögensteuern und Verstaatlichung bis zu umfassenden Verboten und Reglementierungen unter dem grünen Deckmantel führen geradewegs in die Verarmung. „Es gibt weltweit kein Land, in dem Marxismus und Planwirtschaft jemals zu Wohlstand geführt haben. Wir sollten aus der Geschichte lernen: Planwirtschaft wollen nur jene, die sie nicht am eigenen Leib erleben mussten. Leider ist das Vergessen groß und die Fehler wiederholen sich alle 30 bis 40 Jahre“, so Pierer. „Es braucht keine gesellschaftliche Transformation weg von der ökosozialen Marktwirtschaft, sondern vollen Fokus auf Forschung, Qualifizierung, Innovation, Technologie, Unternehmertum, Wachstum und Wettbewerb. Früher galt in der Partei des neuen SPÖ-Vorsitzenden ‚Aufstieg durch Leistung‘ – die Umsetzung seiner Vorschläge wären ein Industrievertreibungsprogramm, welches die Arbeitslosigkeit stark erhöhen und den Wohlstand der Bevölkerung massiv verringern würde.“