Internationale Beziehungen & Märkte

IV OÖ: Beim Brexit verlieren alle!

„Industrie im Dialog“ der IV OÖ zum anstehenden Brexit: Austritt der zweitgrößten Volkswirtschaft schwächt Position der EU gegenüber China, USA und Russland – Briten werden nicht nur außenpolitisch fehlen, sondern auch innereuropäisch als Ausgleich zu Süd- und Osteuropa – Jede Handelsbarriere ist schlecht, weil am Ende des Tages der Kunde dafür zahlen muss

Sieben Tage vor dem ursprünglich geplanten Austrittstermin Großbritanniens aus der EU ist immer noch unklar, wann und in welcher Form der Brexit tatsächlich erfolgen wird. Die Gefahr eines ungeregelten Austritts ist zuletzt noch weiter gestiegen. Die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) beschäftigte sich daher in einer „Industrie im Dialog“-Veranstaltung mit den zu erwartenden Auswirkungen und allfälligen Gefahren des Brexit für Europa und im Speziellen für die OÖ. Industrie. Mit IV OÖ-Präsident Dr. Axel Greiner diskutierten darüber Dr. Paul Rübig, der nach 23 Jahren als längstdienender Österreicher aus dem Europäischen Parlament scheidet, IV-Außenhandelsexperte Mag. Michael Löwy und Mag. Gert Reichetseder, Sprecher der Geschäftsführung der Wacker Neuson Linz GmbH. Die Auswirkungen auf die heimische Industrie wurden dabei durchwegs als überschaubar eingestuft. Denn aus österreichischer Sicht sind die bestehenden Handelsbeziehungen mit Großbritannien bereits nach dem Referendum im Jahr 2016 geschrumpft: Die österreichischen Exporte in das Vereinigte Königreich um 3,9 Mrd. Euro
(-8,5 %) und die Importe um 2,5 Mrd. Euro (-4,8 %). Die Direktinvestitionen von Österreich nach Großbritannien reduzierten sich seither um 7 Mrd. Euro, von Großbritannien nach Österreich um 6 Mrd. Euro. Bis zum Jahr 2030 muss Österreich mit BIP-Verlusten von 0,3 bis 0,4 Prozent kumuliert rechnet.

In seinem Impulsstatement betonte Dr. Paul Rübig, dass Großbritannien 44 Jahre Mitglied der Europäischen Union und in 700 internationale Verträge der EU eingebunden ist. Auf beiden Seiten bestehe kein Interesse an einem ungeordneten, harten Brexit, der für entsprechendes Chaos sorgen würde. Statt Konfrontation müsse auch in Zukunft ein geordnetes Zusammenleben zwischen EU und Großbritannien ermöglicht werden. Für die Probleme in Europa sei allerdings oftmals nicht die EU verantwortlich, die für die entsprechende Legistik wie beispielsweise Dublin, Schengen oder Maastricht sorgt, sondern die mangelnde Umsetzung in den Nationalstaaten. Mag. Gert Reichetseder wies darauf hin, dass etwa 10 Prozent des Umsatzes von Wacker Neuson Linz mit Großbritannien erzielt werden und das Vereinigte Königreich den größten Baumaschinenmarkt in Europa darstellt. Er erwartet in weiterer Folge eine Normalisierung der Handelsbeziehung, wenngleich jede Handelsbarriere schlecht ist, weil am Ende der Kunde dafür bezahlen muss. Mag. Michael Löwy betonte, der Austritt von Großbritannien bedeute in jedem Fall eine Schwächung der EU auf globaler Ebene – politisch ebenso wie ökonomisch und militärisch. Verhandlungen auf Augenhöhe mit China, USA und Russland würden damit entsprechend schwieriger. Völlig offen ist aus seiner heutigen Sicht, was nach dem 13. April passieren wird. IV OÖ-Präsident Dr. Axel Greiner erklärte dazu, dass die Briten nicht nur außenpolitisch fehlen werden, sondern auch innereuropäisch als Ausgleich zu Süd- und Osteuropa von höchster Bedeutung waren. Offen sei weiters, wie es in der Zukunft mit großen Kooperationsprojekten – beispielsweise bei Airbus – oder bei Forschungspartnerschaften weitergehen kann. IV OÖ-Ehrenpräsident Dipl.-Ing. Klaus Pöttinger stellte an das Podium die Frage, welche Fehler der Europäischen Union letztlich zum Brexit geführt haben. Löwy betonte in diesem Zusammenhang, dass die Verantwortung der EU jedenfalls noch zu diskutieren ist und man sich beispielsweise die Frage stellen muss, warum aktuell nur Nettotransferbezieher der EU beitreten wollen, aber nicht reiche Staaten wie die Schweiz oder Norwegen.

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