Inflation – Folge einer verfehlten Finanzpolitik

Starökonom Lars P. Feld fand beim jüngsten „Talk@Raiffeisen“ klare Worte zur aktuellen Wirtschaftslage, zum Konjunkturausblick sowie zur Wirksamkeit der Finanz- und Wirtschaftspolitik auf nationaler und europäischer Ebene.

Zwanzig Jahre Euro! 19 EU-Mitgliedsstaaten sind mittlerweile der Währungsunion beigetreten, ab Jahresbeginn 2023 werden es mit Kroatien 20 sein. Grund zum Gratulieren gibt es derzeit aber nicht, denn die Inflationsraten im Euroraum befinden sich auf Rekordhöhe. Für den Starökonomen Lars P. Feld, persönlicher Beauftragter des deutschen Finanzministers Christian Lindner, gehen die hohen Inflationsraten in Europa zwar von einer Verknappung des Angebots und vor allem des Angebots an Energie aus, wie er beim jüngsten „Talk@Raiffeisen“, einem virtuellen Veranstaltungsformat von Raiffeisenlandesbank OÖ und IV-OÖ, erklärte: „Die politischen Akteure sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene verschlechtern die Situation aber noch zusätzlich.“ Als größten Fehler nannte er die unkoordinierte Vorgehensweise der EU-Mitgliedsstaaten am internationalen Gasmarkt: „Das führt zu der absurden Situation, dass sich europäische Staaten in Zeiten ohnehin knappen Angebots gegenseitig überbieten und so die Preise noch weiter antreiben!“

Europa braucht dringend eine bessere Energiepolitik, die nicht so enorm teuer ist wie jene in Deutschland.


Rezession bei hoher Inflation

Die Inflation auf Rekordniveau sei die Folge einer verfehlten Finanzpolitik sowohl in den USA durch Trump und Biden als auch in Europa. „Für das kommende Jahr ist eine Rezession bei nach wie vor hohen Inflationsraten zu erwarten“, so Feld. Jetzt sei eine restriktive Geldpolitik mit deutlich höheren Zinsen notwendig, um die Inflation in den kommenden Jahren wieder auf erträgliches Niveau zurückzuführen. „Die Staatsverschuldung in den EU-Mitgliedsstaaten ist stark unterschiedlich – sieben Länder haben eine Schuldenquote von über 90 Prozent, darunter Italien, Frankreich, Spanien und Belgien.“ Die höheren Zinsen würden laut Feld die Budgets der Staaten in den nächsten drei bis fünf Jahren zusätzlich belasten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sei der Euro eine Fehlkonstruktion. Zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft seien laut Feld jetzt neue Handelskommen beispielsweise mit den USA oder Südamerika notwendig. „Die Energiepreise werden in Europa auf Dauer höher sein als in den USA. Europa braucht dringend eine bessere Energiepolitik, die nicht so enorm teuer ist wie jene in Deutschland in den nächsten Jahren.“

De-Industrialisierung Europas

IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer betonte in der Diskussion erneut das Totalversagen der EU, parallel mit dem Beschluss von Sanktionsmaßnahmen nicht gleichzeitig auch entsprechende Werkzeuge zur Bekämpfung der damit unmittelbar verbundenen Energiepreissteigerungen umgesetzt zu haben. „Die Inflation wird weiter steigen, weil preistreibende Effekte noch nicht vollständig am Markt angekommen sind, etwa Energiepreise, Konsumgüterpreise oder Lohnerhöhungen“, so Pierer. Auch der latente Arbeitskräftemangel trage dazu bei. „In den energieintensiven Industrien droht eine De-Industrialisierung in Europa, dem durch die Politik auf europäischer und nationaler Ebene unbedingt gegengesteuert werden muss. Wenn es auf der Energieseite nicht rasch zu einer Lösung kommt, kommen wir in einen heftigen Sturm.“ Große Konzerne könnten ihre Kapazitäten global verlagern, mittelständischen Betrieben sei das jedoch nicht möglich. Die Verunsicherung der Konsumenten sei enorm, die Nachfrage gehe bereits deutlich zurück: „Der schwache Euro ist ein schleichendes Gift, das zwar kurzfristig Vorteile im Export bringt, aber längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes erodieren lässt“, betonte Pierer. Jetzt sei es notwendig, die durch die Krise erzwungene Innovation voranzutreiben und die Krise als Chance zu begreifen. Eine erhöhte Fertigungstiefe und eine globale Aufstellung seien dazu erforderlich.

Der schwache Euro ist ein schleichendes Gift, das längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes erodieren lässt.


Foto: IV OÖ


Einheitliche Zinsen als Problem

RLB-Generaldirektor Heinrich Schaller befürchtet eine steigende Insolvenzquote, die durch bisherige Corona-Hilfen niedrig gehalten worden sei: „Die europäische Finanzpolitik reduzierte den Druck auf hoch verschuldete Staaten, entsprechende Sparprogramme umzusetzen.“ Generell sei es ein Problem, dass die für alle Staaten gleichen Zinssätze bei schwachen Ländern keine Anreize zu strukturellen Verbesserungen führten. Kritisch sah er zudem, dass die EZB Anleihenkäufe zur Stützung von schwachen Ländern auch in Zukunft nicht ausgeschlossen hat. „Man kann mit solchen Maßnahmen die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft nicht außer Kraft setzen“, betonte Schaller, der ebenfalls auf Innovation setzt, um die Krise zu bewältigen. 

Foto: IV OÖ

Die für alle Euro-Staaten gleichen Zinssätze geben schwachen Ländern keine Anreize zu strukturellen Verbesserungen.