Arbeitskräftemangel ist allgegenwärtig

Praktisch jeder Mensch in Oberösterreich weiß über den anhaltenden Arbeitskräftemangel Bescheid und fast die Hälfteder Bevölkerung ist bereits direkt davon betroffen – das zeigt eine Umfrage des Spectra-Instituts im Auftrag der IV-OÖ.

Österreich ist in der Europäischen Union die Nummer eins bei der Zahl der unbesetzten Stellen, auch die Zahl der Mangelberufe ist auf Rekordniveau. Während die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten in den letzten drei Jahrzehnten in Österreich stark angestiegen ist, stagnierte die Zahl der Vollzeit-Beschäftigten. „Der enorme Arbeitskräftemangel in Oberösterreich hat längst alle Teile der Wirtschaft und des öffentlichen Diensts erreicht.“, wird Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ nicht müde zu betonen. Die vom Marktforschungsinstitut Spectra im Auftrag der IV OÖ durchgeführte repräsentative Studie zeigt sogar, dass der Arbeitskräftemangel als Thema mittlerweile praktisch alle Menschen in Oberösterreich erreicht hat: 94 Prozent der befragten Personen wissen über den Arbeitskräftemangel Bescheid.

Foto: IV OÖ


Dass 81 Prozent – unter den 30- bis 49-Jährigen sogar 91 Prozent – im eigenen persönlichen Umfeld Unternehmen und Dienstleister kennen, die Schwierigkeiten haben Personal zu rekrutieren, unterstreicht, wie flächendeckend oberösterreichische Betriebe vom Arbeitskräftemangel betroffen sind. Es sind aber nicht nur Unternehmen, die darunter leiden: Als Konsument von Produkten und Dienstleistungen kann der Mangel an verfügbaren Personal jeden treffen. Auf die Frage ‚Waren Sie bisher vom Arbeitskräfte-Mangel bei Unternehmen, in Geschäften, bei Ärzten, in Krankenhäusern, Pflegeheimen, in der Gastronomie oder anderen Dienstleistern in irgendeiner Form betroffen?‘ antworten schon heute 42 Prozent mit ja. Wenn fast die Hälfte der Bevölkerung die Folgen des Arbeitskräftemangels direkt zu spüren bekommen, ist das bereits ein besorgniserregendes Ergebnis, aber leider erst der Anfang. „In den kommenden Jahren wird der Bedarf an richtig qualifizierten Arbeitskräften aufgrund der umfassenden Investitionen in die Twin Transition von Digitalisierung und Dekarbonisierung weiter stark zunehmen, durch die negative demografische Entwicklung wird jedoch das Angebot an Arbeitskräften deutlich sinken und damit das Problem weiter verschärfen“, betont Joachim Haindl-Grutsch. 

Realistisches Bild der Ursachen

Die Ursachen für den Arbeitskräftemangel liegen aber (noch) nicht unbedingt in einem Mangel an Personen, sondern in einem Mangel an geleisteten Arbeitsstunden. Denn die Zahl der Erwerbstätigen ist seit 2012 zwar um mehr als 360.000 Personen auf 4,4 Mio. Menschen im Jahr 2023 gestiegen, der Zuwachs entfiel aber fast ausschließlich auf Teilzeitstellen. Die Folge ist ein Allzeit-Hoch an offenen Stellen in Österreich.

Trotz der komplexen Zusammenhänge hat die OÖ. Bevölkerung ein sehr realistisches Bild von den Gründen für den Arbeitskräftemangel. An der Spitze der Ursachen steht die Meinung, dass viele Frauen nicht oder nur wenig arbeiten können, weil die Kinderbetreuung fehlt. Als zweithäufigste Ursache wird angeführt, dass viele Menschen keine Überstunden mehr leisten wollen, weil sich das finanziell zu wenig lohnt. Weitere wesentliche Gründe aus Sicht der Bevölkerung sind schlecht qualifizierte Zuwanderer, das generelle Fehlen an gut ausgebildeten Arbeitskräften sowie die zu hohe Besteuerung des Einkommens. 

Dazu gesellt sich eine ernüchternde Einschätzung der Leistungsbereitschaft in unserer Gesellschaft. 78 Prozent der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher gehen davon aus, dass die Leistungsbereitschaft in den vergangenen 20 bis 30 Jahren gesunken ist, wobei 35 Prozent meinen, der Wille zur Leistung sei sogar sehr stark gesunken (43 Prozent etwas gesunken). Auch Jüngere (16 – 29-Jährige) schließen sich dieser Meinung an, urteilen allerdings zurückhaltender. 58% sprechen von einer gesunkenen Leistungsbereitschaft (23% stark gesunken, 35% etwas gesunken).

Zusätzlich ging die Erhebung ‚offen‘ der Frage nach, warum viele junge Menschen beim Berufseinstieg oftmals nur Teilzeit arbeiten wollen. Die ungestützten Antworten auf diese Frage sind eindeutig: „Bei jungen Menschen steht Work-Life-Balance“ hoch im Kurs, dies kommt in den Begründungen in den verschiedensten Facetten zum Ausdruck. Der Wunsch nach mehr Freizeit ist der Hauptgrund für Teilzeitarbeit“, erklärt Haindl-Grutsch. Die Teilzeitarbeit ist wiederum, wie oben beschrieben, der größte Faktor des anhaltenden Arbeitskräftemangels.

OÖ will Leistungsanreize und Ausbau der Kinderbetreuung

Nach Lösungen befragt, wie der Arbeitskräftemangel verringert werden könnte, sehen die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher folgende vier Themenbereiche im Vordergrund:

  • die Steuern auf das Einkommen zu senken, um ein höheres Nettoeinkommen zu ermöglichen
  • die Kinderbetreuung zu verbessern
  • möglichst flexible Arbeitszeiten anzubieten
  • Pensionisten, die freiwillig weiterarbeiten wollen, sollen steuerlich entlastet werden

Genau diese Maßnahmen wurden bereits zu Ende des vergangenen Jahres im Maßnahmen Paket „Leistung muss sich (wieder) lohnen“ von der IV in konkreten Forderungen an die Bundesregierung gerichtet. Vieles davon ließe sich rasch umsetzen und könnte dennoch einen nachhaltigen Effekt am angespannten Arbeitsmarkt entfalten, wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre.

Foto: IV OÖ


"Am Arbeitsmarkt entscheidet sich die Zukunft unseres Landes. Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen einmal mehr, dass die Bundesregierung dringend steuerliche Anreize setzen muss, die Mehr-Arbeit und nicht Weniger-Arbeit belohnen. Vollzeitarbeit, Überstunden und das freiwillige Weiterarbeiten in der Pension müssen sich Netto für die Menschen viel stärker lohnen. Der Arbeitskräftemangel wird sich durch die demographische Entwicklung in den nächsten Jahren massiv verschärfen und den Wirtschaftsstandort enorm beschädigen. Das führt zu Wohlstandsverlust in der Bevölkerung sowie zur Unfinanzierbarkeit des Sozialsystems. Es ist jetzt höchste Zeit zu handeln“, betont Haindl-Grutsch abschließend.