Klima, Infrastruktur, Transport, Ressourcen, Energie

Die Deindustrialisierung läuft

Oberösterreichs Industriebetriebe sind besonders energieintensiv und damit stärker von den Energiepreisen betroffen als andere – Investitionen werden verstärkt im Ausland getätigt – Diskussionsrunde zeigt dringenden energiepolitischen Handlungsbedarf auf, damit Österreich als Industriestandort wettbewerbsfähig bleibt

Oberösterreichs Industrie ist besonders energieintensiv. Der Gesamtenergieverbrauch des produzierenden Bereichs Oberösterreichs beträgt ca. 31 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs des Landes. Am wichtigsten für die OÖ. Industrie ist Gas mit einem Anteil von 37 Prozent und elektrischer Strom mit 31 Prozent. Der Gesamtenergieverbrauch des produzierenden Bereichs Oberösterreichs entspricht in etwa einem Drittel des produzierenden Bereichs Österreichs. Zu den energieintensivsten Branchen zählen die Metallerzeugung und -bearbeitung, die Papierindustrie, die Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie die Herstellung von Glas, Keramik und Zement. Die energieintensive Industrie Oberösterreichs beschäftigt direkt rund 36.800 Personen und sichert insgesamt 117.500 Beschäftigungsverhältnisse österreichweit ab, davon 66.000 in Oberösterreich.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine stürzte die Energiemärkte weltweit ins Chaos, innerhalb kürzester Zeit explodierten die Preise, vor allem in Europa. Welche langfristigen Folgen sich daraus für den Industriestandort Oberösterreich ergeben, untersuchte das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria im Auftrag der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, dass Europa als Nettoimporteur von Energie sehr verwundbar ist und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie darunter stark leidet. Höhere Preise waren schon lange davor die Norm: Zwischen 2006 und 2021 waren die Erdgaspreise in Europa höher als in den USA. Aber infolge der Energiekrise ging die Schere noch weiter auseinander und es ist kein Ende in Sicht. Als Ursache für die innereuropäischen Unterschiede identifizieren die Studienautoren neben verschiedenen Reaktionen der EU-Staaten auf die Energiekrise – Stichwort „iberisches Modell“ – die weiterhin große Bedeutung von Erdgas für Österreichs Stromerzeugung. Zwar spielt die Wasserkraft die dominierende Rolle im österreichischen Strommix (rund 60 Prozent in der Jahresbetrachtung), aber vor allem in den Wintermonaten stammt ein erheblicher Anteil der erzeugten elektrischen Energie aus Erdgas. Im November 2022 waren es beispielsweise beinahe 33 Prozent. Das Merit-Order-Prinzip macht daraus entsprechend hohe Strompreise.

Foto: IV OÖ / EcoAustria

Im Rahmen einer „Industrie im Dialog“-Veranstaltung im Haus der Industrie in Linz diskutierten dazu Ing. Thomas Bründl, CEO starlim-sterner-Gruppe und Vizepräsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), Dr. Martin Zahlbruckner, CEO delfortgroup AG, Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ mit Prof. Dr. Monika Köppl-Turyna, Direktorin  von EcoAustria, über den Status-quo und mögliche Maßnahmen einer wettbewerbsfähigen Energiepolitik.

Hohe Energiekosten zwingen zu Investitionen im Ausland

Nicht nur im Vergleich zu Mitbewerbern in den USA oder Asien verliert Österreich an Wettbewerbsfähigkeit, auch innerhalb Europas gehören Österreichs Strompreise trotz des hohen Anteils an erneuerbarer Energie am Strommix zu den höchsten. Besonders deutlich fällt der Unterschied zu Spanien oder Skandinavien aus, aber auch der Abstand zum Nachbarland Deutschland ist aufgrund der Strompreiszonentrennung erheblich. „Die Märkte erwarten auch über die kommenden zehn Jahre massive Kostennachteile“, kann Köppl-Turyna auch keinen optimistischen Ausblick geben.

„Unser Mitbewerber in europäischen Ländern wie Spanien und Frankreich verfügen über deutlich niedrigere Industriestrompreise. In Skandinavien liegen die Energiekosten bei rund ein Drittel von jenen in Österreich“, betont Martin Zahlbruckner. „Unsere Kunden akzeptieren höhere Preise aufgrund steigender Kosten nicht mehr und zwingen uns so, in Amerika und Asien zu expandieren. Unsere Burgen in Oberösterreich geben wir nicht auf, aber es stellt sich die Frage, ob wir sie noch weiter ausbauen“, betont IV OÖ-Vizepräsident Thomas Bründl. „Es wird dort investiert, wo die Energiekosten niedriger sind und Planungssicherheit gegeben ist.“ Joachim Haindl-Grutsch betont, dass die schleichende Verlagerung von industrieller Wertschöpfung aufgrund der hohen Energie- wie auch der Arbeitskosten bereits im Gange ist und Investitionen verstärkt außerhalb von Österreich stattfinden. Dabei sind Oberösterreichs Industriebetriebe Vorreiter in Sachen Effizienz, wie Daten der Studie belegen: Während der Energieverbrauch in Oberösterreich zwischen 2000 und 2021 um 18,3 Prozent gestiegen ist, konnte das Bruttoregionalprodukt um 37 Prozent gesteigert werden. Die CO2- Emissionen sind mit rund 22 Millionen Tonnen sogar auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2000 und damit vom wirtschaftlichen Wachstum entkoppelt.

Energiepolitik statt Verbotspolitik

„Die österreichische Energiepolitik der letzten Jahrzehnte war von Verboten und Verhinderungen geprägt – von Atomkraft über Wasserkraft bis zu Stromleitungen oder Carbon Capture“, betont Haindl-Grutsch. "Das fällt uns jetzt bei den Energiepreisen auf den Kopf.“ Aktuell zeigt sich das in den Verzögerungen für die 220 KV-Leitung im Zentralraum oder bei der geplanten Gasförderung in Molln.

Um den auf höhere Energiekosten zurückzuführenden Verlust an globaler Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen, fordern die Studienautoren eine umfassende Strategie, die eine wettbewerbsfähige Energieversorgung in Österreich und Europa gewährleistet. Mögliche Maßnahmen wären eine Entkopplung von Strom- und Gaspreisen, eine Anpassung der Strompreiszonen in Europa, geringere Steuern und Abgaben sowie die verstärkte Förderung der Technologieumstellung im Zuge der Grünen Transformation. „Europa muss seine komparativen Vorteile der unterschiedlichen Standorte in der Energieversorgung stärker nutzen, statt regionale Symbolpolitik zu betreiben“, fordert Köppl-Turyna. Alle Diskussionsteilnehmer waren sich abschließend einig, dass Kostenentlastungen, Planungssicherheit, Technologieoffenheit und schnellere Genehmigungsverfahren sowie auch ein neues energiepolitisches Bewusstsein in der Bevölkerung (anstelle der „not in my backyard-Einstellung) notwendig sind, um den Standort Oberösterreich wettbewerbs- und zukunftsfähig zu halten.